Ebenso wie eine Trennung von Mitarbeitern durch die Beendigung des Arbeitsverhältnisses zahlreiche Fallstricke bereithalten kann (s. zum aktuellen Kündigungsrecht B. Müller ZAP F. 17, S. 1191 ff., in diesem Heft), können sich vergleichbare Konfliktlagen für den Arbeitgeber aber auch schon dann auftun, wenn es ihm (nur) darum geht, bei der Mitarbeitersuche ungeeignete Bewerber unberücksichtigt lassen zu können. Bekanntlich haben hier einige (wenige) Rechtsanwälte ein zumindest fragwürdiges Geschäftsmodell entwickelt, sich mittels Scheinbewerbungen und – bei Nichtberücksichtigung – anschließender Schadensersatzforderung wegen angeblicher Diskriminierungen ein zusätzliches berufliches Auskommen zu suchen (s. bereits ZAP Kolumne 5/2014, S. 234 "Rechtsanwälte als AGG-Hopper ante portas?").
Nachdem das BAG dabei einem der Protagonisten zunächst mit Beschluss v. 23.8.2012 (Az. 8 AZN 711/12) insoweit Recht gab, als sein Vorbringen hinsichtlich der Vermutungstatsachen für eine geschlechterbedingte Benachteiligung von den Vorinstanzen nicht ausreichend berücksichtigt und damit sein Recht auf rechtliches Gehör verletzt worden sei, schien das Geschäftsmodell endgültig in Frage gestellt, als das LAG Frankfurt/M. mit Urteil v. 18.3.2013 (Az. 7 Sa 1257/12) erneut die Berufung zurückwies und hierbei die bereits seine vorherige Entscheidung v. 16.1.2012 (Az. 7 Sa 615/11) tragende Begründung erneuerte, dass ein 36-jähriger Anwalt mit mehrjähriger Berufserfahrung, der zudem über Führungsverantwortung als leitender Angestellter bei einem Rechtsschutzversicherer verfügte, für das im Streitfall ausgeschriebene "Trainee-Programm für Berufseinsteiger" schlichtweg als "überqualifiziert" und "zu alt" gelte, was aber (noch) keine Benachteiligung seiner Person im Sinne des AGG darstelle.
Doch wer geglaubt hatte, der mit seiner Entschädigungsforderung i.H.v. 14.000 EUR unterlegene Anwalt würde sich dieser Rechtserkenntnis nunmehr anschließen, irrte. Vielmehr legte er gegen die Nichtzulassung der Revision Beschwerde ein – und hatte damit Erfolg. Der 8. Senat des BAG legte nun seinerseits dem EuGH mit Beschluss vom 18.6.2015 (Az. 8 AZR 848/13) die Frage zur Vorabentscheidung vor, ob das Unionsrecht dahingehend auszulegen sei, dass auch derjenige "Zugang zur Beschäftigung oder zur abhängigen Erwerbstätigkeit" sucht, aus dessen Bewerbung hervorgeht, dass nicht eine Einstellung und Beschäftigung, sondern nur der Status als Bewerber erreicht werden solle, um Entschädigungsansprüche geltend machen zu können.
Dass das BAG die europäischen Richtlinienkonformität von Scheinbewerbungen nicht schon im ersten Revisionsverfahren mittels Vorlage an den EuGH abgesichert hatte, dürfte dem jüngsten Vorwurf des BVerfG (vgl. Beschl. v. 10.12.2014 – 2 BvR 1549/07) geschuldet sein: Durch Verkennung seiner Vorlagepflichten könne das BAG dem klagenden Anwalt möglicherweise seinen gesetzlichen Richter nach Art. 101 Abs. 1 S. 2 GG entziehen.
Immerhin ist jetzt aber in der Sache für den 8. Senat klar, dass sich der Kläger nur deshalb auf die ausgeschriebene Stelle beworben hatte, um im Falle seiner Ablehnung eine Entschädigung nach § 15 Abs. 2 AGG beanspruchen zu können. Denn nicht nur das eigene Bewerbungsschreiben stehe seiner Einstellung als "Trainee" entgegen, sondern auch die sonstigen Umstände – u.a hatte der Anwalt selbst seine spätere Einladung zu einem Personalgespräch ausgeschlagen und von einer vorherigen Entschädigungszahlung abhängig gemacht – sprachen nach Ansicht des BAG dagegen, dass er ernsthaft am Abschluss eines Arbeitsvertrags interessiert war. Damit sei er zumindest nach nationalen Recht nicht als "Bewerber" und "Beschäftigter" i.S.d. § 6 Abs. 1 S. 2 AGG anzusehen (vgl. in diesem Sinne bereits: BAG, Urt. v. 24.1.2013 – 8 AZR 429/11; v. 14.11.2013 – 8 AZR 997/12 – jeweils zur anwaltlichen Scheinbewerbung). Da aber das Unionsrecht in der RL 2000/78/EG diese Begriffe nicht verwende, sondern nur u.a. den "Zugang zur Beschäftigung" schütze, sei nicht geklärt, ob insoweit bereits eine formale Bewerbung genüge, ohne dass eine Einstellung bei einem Arbeitgeber tatsächlich gewollt ist.
Was den Ausgang dieses Verfahrens betrifft, bleibt nicht nur das Abwarten der Luxemburger Entscheidung spannend, sondern gleichermaßen auch die Sichtweise der 12. Strafkammer des LG München zur möglichen Strafbarkeit des anwaltlichen AGG-Hoppings (vgl. dazu Brand/Rahimi-Azar NJW 2015, 2993 ff.). Denn die Münchner Staatsanwaltschaft hat erstmals einen Anwalt deswegen angeklagt und ihm schweren Betrug vorgeworfen: Dabei sollen in 25 Fällen Entschädigungen geflossen, in 91 Fällen die gestellten Forderungen jedoch nicht erfüllt worden sein. Die Zahlungen beliefen sich auf 88.000 EUR; weitere 1,7 Mio. Euro wurden gefordert ( www.juve.de/nachrichten/verfahren/2015/02/vorwurf-des-agg-hopping-anklage-gegen-arbeitsrechtler ).
Im Zuge des Zwischenverfahrens über die Zulassung der Anklage wird das Gericht u.U. auch der Frage nachgehen müssen, welchen Einfluss das Vorabentscheidungsersu...