1. Grundsatz
Die Vollstreckungsorgane haben vor Beginn der Zwangsvollstreckung zu prüfen, ob die Zwangsvollstreckung zulässig ist. Vollstreckungsmaßnahmen dürfen nur dann ergriffen und Vollstreckungshandlungen nur dann vorgenommen werden, wenn die Zwangsvollstreckung zulässig ist. Zu einem großen Teil stimmen die Verfahrensvoraussetzungen der Zwangsvollstreckung mit den Sachurteilsvoraussetzungen (Prozessvoraussetzungen) des Erkenntnisverfahrens überein. Die Zulässigkeitsvoraussetzungen werden von Amts wegen geprüft. Bei Unzulässigkeit der Zwangsvollstreckung sind vorgenommene Vollstreckungsmaßnahmen fehlerhaft. Es sind von den Vollstreckungsorganen zu prüfen:
- die Zuständigkeit,
- das Vorliegen eines ordnungsgemäßen Vollstreckungsantrags,
- die allgemeinen Verfahrensvoraussetzungen,
- die allgemeinen und besonderen Vollstreckungsvoraussetzungen,
- das Fehlen von Vollstreckungshindernissen und
- der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit.
2. Zuständigkeit
Zunächst ist die Frage der funktionellen Zuständigkeit zu klären. Sie bezeichnet die Verteilung der verschiedenen Rechtspflegefunktionen in ein und derselben Sache an verschiedene Rechtspflegeorgane. Bei der Zwangsvollstreckung ist mithin zu prüfen, welche Vollstreckungstätigkeit (Geld- oder Individualvollstreckung, Fahrnis- oder Mobiliarvollstreckung, Abnahme der Vermögensauskunft) welchem Vollstreckungsorgan (s.o. IV.) im Einzelnen zugewiesen ist. Die Frage der sachlichen Zuständigkeit betrifft im Grunde die Eingangszuständigkeit des Gerichts. Sie ist deshalb bei der Tätigkeit des Gerichtsvollziehers nicht zu prüfen. Die örtliche Zuständigkeit des Gerichtsvollziehers bestimmt sich nach § 14 GVO. Die örtliche Zuständigkeit des Vollstreckungsgerichts bestimmt sich grundsätzlich nach dem allgemeinen Gerichtsstand des Schuldners, und sonst ist das Amtsgericht zuständig, bei dem nach § 23 ZPO gegen den Vollstreckungsschuldner Klage erhoben werden kann (§ 828 Abs. 2 ZPO); die Zuständigkeiten sind ausschließlich (§ 802 ZPO), so dass auch nicht durch Parteivereinbarung ein anderes Gericht zuständig werden kann.
3. Antrag
Die Zwangsvollstreckung setzt einen wirksamen Antrag des Gläubigers voraus. Dieser Antrag ist Prozesshandlung und kann grundsätzlich schriftlich oder zu Protokoll der Geschäftsstelle gestellt werden. Der Antrag beim Gerichtsvollzieher als funktionell zuständigem Vollstreckungsorgan kann grundsätzlich formlos schriftlich oder mündlich gestellt werden
Hinweis:
Ausnahme: Der Auftrag zur Geldvollstreckung an den Gerichtsvollzieher, für den ab dem 1.4.2016 Formularzwang gilt (vgl. unten unter VIII. 2.).
Nicht schriftlich gestellte Aufträge sind vom Gerichtsvollzieher aktenkundig zu machen (§ 1 S. 2 GVGA). Sind das Vollstreckungsgericht, das Grundbuchamt, das Prozessgericht oder die Registerbehörde zuständig, ist die Schriftform und Erklärung zu Protokoll der Geschäftsstelle einzuhalten.
4. Allgemeine Verfahrensvoraussetzungen
Da – im Regelfall – auch das Verfahren der Zwangsvollstreckung ein sog. Zweiparteienverfahren ist, gelten grundsätzlich auch die Bestimmungen des Ersten Buches der Zivilprozessordnung. Es müssen daher auch die aus dem Erkenntnisverfahren bekannten Sachurteilsvoraussetzungen (Prozessvoraussetzungen) – hier besser: allgemeine Verfahrensvoraussetzungen – vorliegen (Gottwald/Mock, a.a.O., Vorbemerkung – Grundlagen, Rn. 33). Als wichtigste sind zu nennen:
- die Zuständigkeit der deutschen Gerichtsbarkeit (§§ 18–20 GVG),
- die Parteifähigkeit (§ 50 ZPO),
- die Prozess- und Postulationsfähigkeit (§§ 50, 51, 78, 79 ZPO) und
- das allgemeine Rechtsschutzinteresse.
5. Allgemeine und besondere Voraussetzungen der Zwangsvollstreckung
Die Zwangsvollstreckung darf nur beginnen, wenn die Personen, für und gegen die sie stattfinden soll, in dem Urteil oder der ihm beigefügten Vollstreckungsklausel bezeichnet sind und das Urteil bereits zugestellt ist oder gleichzeitig zugestellt wird (§ 750 Abs. 1 S. 1 ZPO).
a) Vollstreckungstitel
Der Vollstreckungstitel ist diejenige öffentliche Urkunde, in der der vollstreckbare (und zu vollstreckende) Anspruch des Gläubigers gegen den Schuldner verbrieft ist. Er allein bestimmt Inhalt und Umfang der Zwangsvollstreckung und legt auch die Parteien des Zwangsvollstreckungsverfahrens fest. Er muss erkennen lassen, dass er vollstreckbar ist.
Die wichtigsten Vollstreckungstitel sind:
- Endurteile, soweit sie einen vollstreckungsfähigen Inhalt haben (sog. Leistungsurteile), § 704 ZPO (auch die dem Endurteil gleichgestellten Vorbehaltsurteile, §§ 302 Abs. 3, 599 Abs. 3 ZPO). Vom Titel "Endurteil" geht das Gesetz bei der Regelung der Vollstreckung aus und wendet die hierfür gegebenen Vorschriften auch auf die anderen Titel an, § 795 ZPO;
- die in § 794 Abs. 1 ZPO im Einzelnen aufgeführten Titel;
- Arrestbefehle und Anordnungen einstweiliger Verfügung, §§ 928, 926 ZPO;
- Zuschlagsbeschluss in der Zwangsversteigerung, § 93 ZVG;
- Eintragungen in der Insolvenztabelle, § 201 Abs. 2 InsO sowie
- rechtskräftige Entscheidungen über den Versorgungsausgleich, § 224 FamFG.
Der Vollstreckungstitel muss vollstreckungsfähig sein, d.h., er muss mit hinreichender Bestimmtheit Inhalt und Umfang sowie die Parteien der Zwangsvollstreckung festlegen....