Im Zivilprozess und in vielen Verfahren der anderen Gerichtsbarkeiten berechnen sich die gerichtlichen Gebühren und die Anwaltsgebühren nach dem Gegenstandswert. Vielfach steht dieser Wert fest, etwa wenn mit der Klage die Zahlung eines bestimmten Geldbetrags verlangt wird. In manchen Fällen hat das Prozessgericht den Streitwert festgesetzt. Diese Wertfestsetzung ist dann regelmäßig gem. § 32 Abs. 1 RVG auch für die Gebühren des Rechtsanwalts maßgebend. In manchen Fällen weicht der für die Gerichtsgebühren maßgebliche Streitwert von dem für die Berechnung der Anwaltsgebühren maßgeblichen Gegenstandswert ab. In einem solchen Fall kann der Rechtsanwalt oder sein Auftraggeber oder dessen erstattungspflichtiger Gegner gem. § 33 Abs. 1 RVG die gesonderte Festsetzung des Gegenstandswerts beantragen. Diese Festsetzungen sind dann für die Berechnung der Gerichtsgebühren bzw. der anwaltlichen Gebühren maßgebend. Liegt ein derartiger Wertfestsetzungsbeschluss vor, ist er auch für das Kostenfestsetzungsverfahren bindend.
In der Praxis kommt es verhältnismäßig häufig vor, dass nach Erlass des Kostenfestsetzungsbeschlusses und des Eintritts seiner Rechtskraft der Streit- bzw. Gegenstandswert erstmals oder abweichend von der ursprünglichen Wertfestsetzung festgesetzt wird. Für diesen Fall sieht § 107 ZPO die entsprechende Abänderung des Kostenfestsetzungsbeschlusses vor.
Praxishinweis:
Vielfach ist in der Praxis die Existenz dieser Vorschrift unbekannt. Nicht selten werden die gesetzlichen Voraussetzungen des Abänderungsverfahrens verkannt, so dass die betreffenden Rechtsanwälte Gefahr laufen, sich gegenüber ihrem Mandanten schadensersatzpflichtig zu machen. Deshalb sollen die Grundzüge dieses Abänderungsverfahrens dargestellt werden.
1. Änderung der Wertfestsetzung
Eine Abänderung eines rechtskräftig gewordenen Kostenfestsetzungsbeschlusses kommt grundsätzlich dann in Betracht, wenn der Wert des Streitgegenstandes nach Erlass des Kostenfestsetzungsbeschlusses festgesetzt wird und diese Festsetzung von der dem Kostenfestsetzungsbeschluss zugrunde liegenden Wertberechnung abweicht. Die Abänderung eines Kostenfestsetzungsbeschlusses nach § 107 ZPO kommt aber auch in folgenden Fallgestaltungen in Betracht:
- Bei Erlass des Kostenfestsetzungsbeschlusses lag keine Streitwert- oder Gegenstandswertfestsetzung vor. Nach Erlass des Kostenfestsetzungsbeschlusses wird ein solcher Wertfestsetzungsbeschluss erstmals erlassen.
- Der Rechtspfleger/Urkundsbeamte der Geschäftsstelle (UdG) hat seinem Kostenfestsetzungsbeschluss den festgesetzten Streit- bzw. Gegenstandswert zugrunde gelegt. Nach Erlass dieses Beschlusses ändert das Prozessgericht diese Wertfestsetzung.
- Dem Kostenfestsetzungsbeschluss liegt die Festsetzung des für die Gerichtsgebühren maßgeblichen Streitwerts zugrunde. Danach hat der Prozessbevollmächtigte der erstattungsberechtigten Partei auch seine anwaltlichen Gebühren berechnet (§ 32 Abs. 1 RVG). Nach Erlass des Kostenfestsetzungsbeschlusses wird hiervon abweichend erstmals der Gegenstandswert gem. § 33 Abs. 1 RVG festgesetzt.
2. Abänderungsantrag
Die Abänderung des Kostenfestsetzungsbeschlusses gem. § 107 ZPO erfolgt nur auf Antrag (§ 107 Abs. 1 S. 1 ZPO), über den das Gericht des ersten Rechtszugs (§ 107 Abs. 1 S. 2 ZPO) und dort der für das Kostenfestsetzungsverfahren zuständige Rechtspfleger/UdG entscheidet. Nicht geregelt ist, ob die die Abänderung begehrende Partei einen unter Berücksichtigung der (geänderten) Wertfestsetzung bezifferten Antrag stellen muss, der die Neuberechnung der in dem Kostenfestsetzungsbeschluss festgesetzten Gebühren und Auslagen enthalten muss. Meine Kammer hat einen unbezifferten Antrag genügen lassen, aus dem sich der Wille des Antragstellers ergab, den Kostenfestsetzungsbeschluss der (geänderten) Wertfestsetzung anzupassen. In diesem Fall hat dann der mit dem Abänderungsantrag befasste Rechtspfleger/UdG die Neuberechnung der Gebühren und Auslagen selbst vorzunehmen.
a) Antragsberechtigung
Antragsberechtigt ist diejenige Partei, die durch die erstmalige oder abgeänderte Wertfestsetzung begünstigt wird. Wenn der Wert herabgesetzt wird, ist dies im Regelfall die erstattungspflichtige Partei. Bei einer Heraufsetzung des Werts ist dies die erstattungsberechtigte Partei. Im Fall des OLG Hamburg (zfs 2016, 463 mit Anm. Hansens = RVGreport 2016, 352 [Hansens]) hat die durch die Herabsetzung des Streitwerts beschwerte Partei die Abänderung des Kostenfestsetzungsbeschlusses zu ihren Lasten beantragt, was das OLG Hamburg nicht problematisiert hatte. Der Erstattungsberechtigte dürfte ein Rechtsschutzbedürfnis für die Herabsetzung des Erstattungsbetrags zu seinen Lasten allenfalls dann haben, wenn aufgrund der Abänderung des Streitwerts/Gegenstandswerts Ungewissheit darüber besteht, welcher Erstattungsbetrag an die Stelle des bisher festgesetzten Betrages tritt.
Das allgemeine Rechtsschutzbedürfnis für einen Abänderungsantrag fehlt jedenfalls dann, wenn die erstmalige oder geänderte Wertfestsetzung keinen Einfluss auf die Höhe der Gerichts- und/oder Anwaltsgebühren hat.