Ist eine Partei in einem Rechtsstreit oder sonstigen gerichtlichen Verfahren unterlegen, hat sie im Regelfall der obsiegenden Partei deren Kosten des Rechtsstreits bzw. Verfahrens zu erstatten. Nicht selten stehen der erstattungspflichtigen Partei jedoch gegen den Gegner eigene Ansprüche zu. Dann stellt sich die Frage, ab wann die erstattungspflichtige Partei gegen den prozessualen Kostenerstattungsanspruch des Gegners aufrechnen kann. Ferner ist manchmal fraglich, ob überhaupt eine Aufrechnung in Betracht kommt. Mit dieser Thematik hatte sich der BFH kürzlich in seinem Beschluss (v. 16.3.2016 – VII B 102/15, RVGreport 2016, 264 [Hansens]) – zu befassen.

In jenem Fall hatte ein Berliner Finanzamt eine fällige Umsatzsteuerforderung gegen eine GmbH. Diese GmbH führte gegen das LG Berlin einen Zivilprozess, den sie gewann. Der Rechtspfleger des Prozessgerichts setzte auf Antrag der GmbH die dieser vom Land Berlin zu erstattenden außergerichtlichen Kosten durch Kostenfestsetzungsbeschluss vom 31.5.2013 auf 4.452,50 EUR nebst Zinsen fest. Ihren Erstattungsanspruch hat die GmbH mit Abtretungserklärung vom 25.7.2012 an den Antragsgegner abgetreten. Das Finanzamt erklärte mit Schreiben vom 16.5.2013 gegenüber diesem Antragsgegner die Aufrechnung der Steuerforderung gegen den an den Antragsgegner abgetretenen Kostenerstattungsanspruch. Am 20.6.2013 erklärte das Finanzamt außerdem die Aufrechnung des Zinsanspruchs aus dem Kostenfestsetzungsbeschluss mit einer näher beschriebenen Umsatzsteuerforderung.

Der Antragsgegner erklärte seinerseits mit Schreiben vom 26.7.2013 gegenüber einem anderen Finanzamt die Aufrechnung. Hierbei vertrat er die Auffassung, die Aufrechnung des Finanzamts vom 16.5.2013 sei unwirksam, da sie vor Erlass des Kostenfestsetzungsbeschlusses und vor Entstehung des Kostenerstattungsanspruchs erklärt worden sei. Deshalb hat der Antragsgegner gem. § 152 FGO einen Vollstreckungsantrag gestellt. Das Finanzamt hat daraufhin beim FG Berlin-Brandenburg beantragt, die Zwangsvollstreckung aus dem Kostenfestsetzungsbeschluss vom 31.5.2013 bis zum Erlass eines Urteils über die gegen den Antragsgegner gleichfalls erhobene Vollstreckungsabwehrklage einzustellen. Das FG Berlin-Brandenburg hat diesen Antrag als begründet angesehen. Die hiergegen gerichtete Beschwerde des Antragsgegners hatte beim BFH keinen Erfolg.

Der BFH hatte zu klären, ob die vom Finanzamt erklärte Aufrechnung mit Ansprüchen aus dem Steuerschuldverhältnis gegen die GmbH zulässig war. Ferner war Gegenstand der Entscheidung die Frage, ob die Aufrechnungserklärungen des Finanzamts der Aufrechnungserklärung des Antragsgegners vorgingen oder nicht.

1. Aufrechnung mit Ansprüchen aus dem Steuerschuldverhältnis

Die Voraussetzungen für die Aufrechnung sind in § 226 Abgabenordnung (AO) geregelt. Nach dessen Absatz 1 gelten für die Aufrechnung mit und auch gegen solche Ansprüche die Vorschriften des BGB sinngemäß, soweit die AO nichts anderes bestimmt. Solche Regelungen enthalten die nachfolgenden Absätze des § 226 AO. § 226 Abs. 2 AO verbietet die Aufrechnung mit Ansprüchen aus dem Steuerverhältnis, wenn sie durch Verjährung oder Ablauf einer Ausschlussfrist erloschen sind. § 226 Abs. 3 AO regelt, dass Steuerpflichtige gegen Ansprüche aus einem Steuerschuldverhältnis nur mit unbestrittenen oder rechtskräftig festgestellten Gegenansprüchen aufrechnen können. Schließlich bestimmt § 226 Abs. 4 AO, dass für die Aufrechnung als Gläubiger oder Schuldner eines Anspruchs aus dem Steuerverhältnis auch die Körperschaft gilt, die die Steuer verwaltet.

Nach Auffassung des BFH (a.a.O.) ist eine Aufrechnung des Finanzamts mit einem Steueranspruch gegen einen Kostenfestsetzungsanspruch des Steuerpflichtigen grundsätzlich zulässig, sofern die Voraussetzungen des § 226 AO erfüllt sind (so auch BFH/NV 1997, 93 und BFH/NV 2000, 4). Die Voraussetzungen für die Aufrechnung hätten hier vorgelegen. Im Zeitpunkt der Aufrechnungserklärung hatte dem Finanzamt ein fälliger Anspruch i.S.d. § 226 Abs. 1 AO aus der Umsatzsteuerfestsetzung zugestanden. Zu diesem Zeitpunkt war der Antragsgegner Gläubiger des ihm von der GmbH wirksam abgetretenen Kostenerstattungsanspruchs gewesen, so dass gem. § 406 BGB das Finanzamt gegenüber dem Antragsgegner als neuen Gläubiger hat wirksam aufrechnen können.

2. Fälligkeit des prozessualen Kostenerstattungsanspruchs

Der BGH hat bereits im Jahr 1976 entschieden, dass der prozessuale Kostenerstattungsanspruch im Regelfall bereits mit der vorläufigen Vollstreckbarkeit der Kostengrundentscheidung fällig werde und nicht erst mit dem Erlass des Kostenfestsetzungsbeschlusses (BGH MDR 1976, 475 = WM 1976, 460). Dies hat der BGH im Jahr 2013 bestätigt (BGH AGS 2014, 148 = NJW 2013, 2975 = JurBüro 2013, 656). Der Große Senat des BFH hat durch Beschluss (v. 18.7.1967 – BFHE 90, 156 = BStBl II, 1968, 59) entschieden, dass der Kostenerstattungsanspruch nach der FGO bereits mit dem Erlass der gerichtlichen Kostenentscheidung nach §§ 143, 144 FGO entstehe, da diese Entscheidung für die Beteiligten verbindlich festlege, wer die Kosten des betreffenden Verfahrens zu tragen habe bzw. in welch...

Dieser Inhalt ist unter anderem im Deutsches Anwalt Office Premium enthalten. Sie wollen mehr?