Nach § 19 Abs. 1 S. 1 Beamtenversorgungsgesetz (BeamtVG) erhält die Witwe eines Beamten unter bestimmten Voraussetzungen Ruhegeld. Diese Hinterbliebenenversorgung ist Bestandteil der Alimentationsverpflichtung des Dienstherrn, die im Zusammenhang mit der Pflicht des Beamten steht, seine ganze Persönlichkeit für den Dienstherrn einzusetzen und diesem seine Arbeitskraft zur Verfügung zu stellen; Dienstbezüge, Ruhegehalt und Hinterbliebenenversorgung sind die Voraussetzung dafür, dass sich der Beamte ganz dem öffentlichen Dienst als Lebensberuf widmen und in rechtlicher und wirtschaftlicher Unabhängigkeit zur Erfüllung der dem Berufsbeamtentum vom Grundgesetz zugewiesenen Aufgabe, im politischen Kräftespiel eine stabile, gesetzestreue Verwaltung zu sichern, beitragen kann (st. Rspr. vgl. nur BVerfGE 21, 329, 345 f.; NJW 2015, 1935 Rn 119 m.w.N.). Gemäß § 19 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 BeamtVG wird das Witwengeld jedoch nicht gewährt, wenn die Ehe mit dem Verstorbenen nicht mindestens ein Jahr gedauert hat, es sei denn, dass nach den besonderen Umständen des Falls die Annahme nicht gerechtfertigt ist, dass es der alleinige oder überwiegende Zweck der Heirat war, der Witwe eine Versorgung zu verschaffen.
Entsprechendes gilt nach § 28 BeamtVG für den Witwer einer Beamtin. Das Gesetz gewährt also bei einer Ehedauer von mindestens einem Jahr das Witwengeld ohne Rücksicht auf den Zweck der Heirat. Bei einer kürzeren Ehedauer enthält es eine anspruchsausschließende Vermutung einer Versorgungsehe, die durch besondere Umstände des Falls widerlegt werden kann.
Nach dem Urteil des BVerwG vom 28.1.2016 (2 C 21.14, DokBer 2016, 186 ff.) müssen die besonderen Umstände des Falls daher geeignet sein, die gesetzliche Vermutung einer Versorgungsehe zu entkräften. Eine Versorgungsehe liege vor, wenn es der alleinige oder überwiegende Zweck der Heirat gewesen sei, der Witwe eine Versorgung zu verschaffen. Damit seien besondere Umstände des Falls solche, die auf einen anderen Beweggrund der Heirat als den der Versorgungsabsicht schließen ließen (vgl. BSGE 103, 99 Rn 20 zur inhaltsgleichen Norm des § 46 Abs. 2a SGB VI).
Hinweis:
Umstände, bei denen ein anderer Beweggrund als der der Versorgungsabsicht nahe liegt, sind etwa dann gegeben, wenn der Beamte unvorhergesehen stirbt, im Zeitpunkt der Heirat also nicht mit seinem Tod zu rechnen war. Beispiele hierfür sind etwa der Unfalltod, eine erst nach der Heirat aufgetretene oder bekannt gewordene tödliche Erkrankung und ein Verbrechen (vgl. BSGE 103, 99 Rn 26).
Zwar liegt in dem Fall, in dem im Zeitpunkt der Heirat mit dem Tod des Beamten gerechnet wird – etwa bei einer lebensbedrohlichen Erkrankung –, die gesetzliche Vermutung einer Versorgungsehe nahe, sie kann indes, so das BVerwG, widerlegt werden. Auch ein bereits vor der Kenntnis von der lebensbedrohlichen Erkrankung getroffener Heiratsentschluss könne ein besonderer Umstand i.S.d. § 19 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 BeamtVG sein, sofern die Heirat aus wirklichkeitsnahen Gründen nur aufgeschoben worden sei, der Heiratsentschluss aber nicht aufgegeben worden sei. Die gesetzliche Vermutung des § 19 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 BeamtVG sei widerlegt, wenn die Gesamtbetrachtung der Beweggründe beider Ehegatten für die Heirat ergebe, dass die von der Versorgungsabsicht verschiedenen Beweggründe insgesamt gesehen den Versorgungszweck überwögen oder ihm zumindest gleichwertig seien. Allerdings müssten bei dieser Gesamtbewertung die gegen eine Versorgungsehe sprechenden besonderen Umstände umso gewichtiger sein, je offenkundiger und je lebensbedrohlicher die Krankheit des Beamten zum Zeitpunkt der Heirat gewesen sei.
Hinweis:
Für die Widerlegung der gesetzlichen Vermutung der Versorgungsehe nach § 19 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 BeamtVG stehen der Witwe alle auch sonst zulässigen Beweismittel zur Verfügung. Eine Beschränkung der Beweistatsachen oder der Beweismittel auf „äußere, objektiv erkennbare“ Umstände unter Ausschluss von „inneren, subjektiven“ Umständen lässt sich aus Wortlaut, Systematik und Entstehungsgeschichte des § 19 BeamtVG nicht herleiten.