Ein effektiver Schutz vor Diskriminierung ist wichtig, daran kann es in Zeiten multikultureller Verhältnisse in Deutschland gar keinen Zweifel geben. Natürlich gilt das auch im Mietrecht. Antidiskriminierungsregeln dürfen aber nicht missbraucht, der offensichtliche Versuch, sich mit diesen Vorschriften neue Einnahmequellen zu erschließen, darf gerichtlich nicht gestützt werden.
So bat eine Wohnungsinteressentin mit türkisch klingendem Namen per E-Mail beim Vermieter um einen Besichtigungstermin. Sie wurde nicht eingeladen. Ein Zeuge versandte daraufhin weitere Anfragen für die Wohnung per E-Mail und benutzte dabei jeweils erfundene deutsch und türkisch klingende Namen. Die türkisch klingenden Namen erhielten eine Absage, alle deutsch klingenden Namen dagegen eine Einladung – soweit die Aussage des Zeugen in dem folgenden Gerichtsverfahren, in denen die abgewiesene Interessentin gegen den Vermieter eine Entschädigung nach dem Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz (§ 21 Abs. 2 S. 3 AGG) erstritt (AG Hamburg-Barmbek, Urt. v. 3.2.2017 – 811 b C 273/15, WuM 2017, 393 ff.): Die Wohnungsinteressentin habe mit der Zeugenaussage hinreichende Indizien vorgetragen, aus denen sich ihre Benachteiligung wegen ihrer ethnischen Herkunft ergebe. Dass diese Indizien innerhalb eines sog. Testing-Verfahrens gewonnen wurden, sei zulässig (ebenso: Blank, in: Schmidt-Futterer, Mietrecht, 13. Aufl. 2017, Vor § 535 BGB Rn 228; BT-Drucks 16/1780, S. 47, re. Spalte).
Die Gesetzesmaterialien führen dazu weiter aus: Wird dieses "Testing-Verfahren" angewandt, so sei es Sache des Beklagten, dazu konkret Stellung zu nehmen. Würden einzelne Tatsachen nicht oder nicht ausreichend bestritten, komme es auf Beweisfragen nicht an. Sie seien dann als zugestanden zu betrachten (§ 138 Abs. 3 ZPO).
Im Verfahren hatte der Vermieter den Vorwurf, die Benachteiligung der Wohnungsinteressentin sei aufgrund des türkisch klingenden Namens wegen ihrer ethnischen Herkunft erfolgt, umfangreich bestritten: Die Kapazitäten des Besichtigungstermins seien erschöpft gewesen, schon deshalb habe keine Einladung ausgesprochen werden können. Überhaupt sei das für Verträge konzipierte Benachteiligungsverbot keine taugliche Grundlage für die Zuerkennung einer Entschädigung gem. § 21 Abs. 2 AGG, weil es hier nur um einen Besichtigungstermin, nicht um den Abschluss eines Vertrags, gegangen sei. Neben deutschen Bewerbern wäre bereits eine Vielzahl anderer Bewerber mit anderer ethnischer Herkunft zur zur Besichtigung eingeladen worden. Im Ergebnis sei die Wohnung an einen türkischen Mieter vermietet worden. Schließlich sei als Ausnahme zu einer unzulässigen Diskriminierung auf die Schaffung und Erhaltung sozial stabiler Bewohnerstrukturen mit ausgewogener Siedlungsstruktur zu achten; ebenso auf die Bewahrung ausgeglichener wirtschaftlicher, sozialer und kultureller Verhältnisse (§ 19 Abs. 3 AGG), was einen sachlichen Grund zur unterschiedlichen Behandlung dargestellt hätte.
All diesen durchaus erheblichen Einwänden folgt das Gericht im Ergebnis nicht, sondern stützt sich in seinem der Klage folgenden Urteil allein auf die Aussage des E-Mail schreibenden Zeugen. Die Entscheidung verlangt drei Anmerkungen:
Zunächst lässt das Gericht jede Ausführung dazu vermissen, dass geprüft worden ist, ob die behaupteten E-Mails tatsächlich so versendet worden sind und der Vermieter entsprechende Antworten erteilt hat. Nach einem kurzen richterlichen Hinweis wäre dies durch entsprechende elektronische Protokolle sehr einfach möglich gewesen. Unterstellt, die behaupteten Tatsachen im Hinblick auf die E-Mail-Korrespondenz sind korrekt: Der Vermieter wäre in diesem Fall besser beraten gewesen, schlicht und einfach auf die E-Mails nicht zu antworten, zumindest keine Absagen zu formulieren. Denn dann gäbe es kein Verhalten, an das die Indikation bzw. die Vermutung einer Diskriminierungshandlung hätte geknüpft werden können. Daraus lernen wir einmal mehr im Zeitalter des Diskriminierungsschutzes: Höflichkeit schadet. Reden ist Silber, Schweigen Gold.
Zweitens: Es bleibt unerfindlich, weshalb Klägerin und Gericht übereinstimmend aus einer Absage gegenüber der Mietbewerberin allein aufgrund ihres türkisch klingenden Namens eine Diskriminierung wegen ethnischer Herkunft ableiten. Denn die Kennzeichnungsfunktion des Namens auf die ethnische Herkunft ist heute mehr denn je aufgeweicht: So kann eine Deutsche einen Türken geheiratet haben und dessen Nachnamen annehmen, ohne dass sie im Hinblick auf ihre ethnische Herkunft nun anders einzuordnen wäre. Ebenso gibt es viele Fälle von religiösen Konvertierungen Deutscher mit der Wahl eines entsprechend passenden Namens aus dem Kulturkreis, zu dem man sich jetzt bekennt. Schließlich gibt es im Zeitalter der wählbaren Staatsangehörigkeit Deutsche mit ausländisch klingendem Namen, die allerdings durch die Wahl ihrer Nationalität entweder in doppelter Staatsbürgerschaft oder auch ausschließlich in deutscher Staatsbürgerschaft mit ihrer bisherigen ethnischen Herkunft,...