1. Allgemeines
Rechtsprechung und Literatur sind bereits zur früheren Rechtslage davon ausgegangen, dass es dem Vorsitzenden im Rahmen seiner Sachleitungsbefugnis (§ 238 Abs. 1 StPO) erlaubt war, dem Verteidiger vor der Vernehmung des Angeklagten zur Sache (§ 243 Abs. 5 S. 2 StPO a.F.) Gelegenheit zu geben, für diesen eine zusammenhängende Erklärung abzugeben (vgl. die Nachweise bei Burhoff, HV, Rn 1454). Dies ist jetzt in § 243 Abs. 5 S. 3 StPO gesetzlich geregelt. Danach erhält nämlich nun der Verteidiger in besonders umfangreichen erstinstanzlichen Verfahren vor dem LG oder OLG, in denen die Hauptverhandlung voraussichtlich länger als zehn Tage dauern wird, auf Antrag Gelegenheit, vor der Vernehmung des Angeklagten für diesen eine Erklärung zur Anklage abzugeben.
2. Erklärung des Verteidigers/Einlassung des Angeklagten
Die Neuregelung knüpft an § 243 Abs. 5 S. 2 StPO und an das danach bestehende Recht des Angeklagten an, sich zu Beginn der Hauptverhandlung umfassend zur Anklage zu äußern. Die Gesetzesbegründung weist ausdrücklich darauf hin, dass es sich daher bei der Neuregelung nicht um ein eigenes Recht des Verteidigers handelt (BT-Drucks 18/11277, S. 33; zur Kritik s. Stellungnahmen des DAV 40/16, S. 7 sowie der BRAK 17/17, S. 6). Es handelt sich aber auch nicht um eine Einlassung des Angeklagten. Dafür spricht die Formulierung "Erklärung" sowie die des vorweggenommenen "Schlussvortrags" und die Möglichkeit, den Verteidiger auf eine weitere schriftliche Stellungnahme zu verweisen, was bei einer Wertung der Erklärung des Verteidigers als Einlassung des Angeklagten i.e.S. nicht möglich wäre. Zudem hätte, wenn man von einer Einlassung i.e.S. ausgehen würde, auch nicht nur auf die Regelung des Selbstleseverfahrens in § 249 Abs. 2 S. 1 StPO verwiesen werden dürfen (vgl. im Übrigen Burhoff, StPO 2017, Rn 221 ff.).
Hinweis:
Verteidiger sollten in Absprache mit dem Mandanten sehr sorgfältig abwägen, ob sie von dem Erklärungsrecht des § 243 Abs. 5 S. 3 StPO Gebrauch machen. Es sollte – vor allem beim schweigenden Angeklagten – deutlich gemacht werden, dass es sich bei der Erklärung nicht um eine (Teil-)Einlassung des Angeklagten handelt. Es sollte im Verlauf des Verfahrens zudem alles vermieden werden, aus dem der Schluss gezogen werden könnte, der – schweigende – Angeklagte mache sich die Erklärung des Verteidigers zu eigen. Anderenfalls könnte darin ein Teilschweigen mit den sich daraus für den Angeklagten ergebenden nachteiligen Folgen (vgl. dazu Burhoff, EV, Rn 1605 m.w.N.; Burhoff, HV, Rn 3387 m.w.N.) gesehen werden.
3. Verfahren
Voraussetzung für die Gelegenheit zu einer Erklärung nach § 243 Abs. 5 S. 3 StPO ist zunächst ein Antrag des Angeklagten oder des Verteidigers für den Angeklagten. Über den Antrag des Verteidigers entscheidet in der Hauptverhandlung zunächst der Vorsitzende (§ 238 Abs. 1 StPO). Dieser ist verpflichtet (vgl. BT-Drucks 18/11277, S. 34), dem Verteidiger die Möglichkeit zur Eröffnungserklärung zu gewähren. Der Vorsitzende hat kein Ermessen. Auch der Zeitpunkt der Erklärung ist als "Eröffnungserklärung" vorgegeben.
Hinweis:
Gewährt der Vorsitzende das Erklärungsrecht nicht, muss der Verteidiger das, wenn er es später mit der Revision rügen will, nach § 238 Abs. 2 StPO beanstanden.
Voraussetzung für eine Erklärung nach § 243 Abs. 5 S. 3 StPO ist weiter, dass es sich um ein besonders umfangreiches erstinstanzliches Verfahren beim LG oder OLG handelt, in dem die Hauptverhandlung voraussichtlich länger als zehn Tage dauern wird. Die Formulierung entspricht der Formulierung im neuen § 213 Abs. 2 StPO. Die Neuregelung gilt also nicht für das Berufungsverfahren.
Hinweis:
Die Abgabe eines "Opening Statement" in anderen als in den in § 243 Abs. 2 S. 3 genannten Verfahren ist nicht ausgeschlossen.
Die Erklärung des Verteidigers erfolgt grundsätzlich mündlich in der Hauptverhandlung. Nach § 243 Abs. 5 S. 4 Hs. 1 StPO kann der Vorsitzende dem Verteidiger aber aufgeben, "die weitere Erklärung schriftlich einzureichen, wenn ansonsten der Verfahrensablauf erheblich verzögert würde". Das ist ein an bestimmte Voraussetzungen geknüpfter Verweis auf § 257a StPO. Der Vorsitzende kann dem Verteidiger aber nicht von vornherein aufgeben, die Erklärung schriftlich einzureichen. Das gilt nur für die "weitere Erklärung". Voraussetzung ist zudem, dass durch die weitere mündliche Erklärung der Verfahrensablauf "erheblich verzögert" würde. Zu der Frage, wann dies der Fall ist, schweigen sich die Neuregelung und auch die Gesetzesmaterialien aus. Das wird sicherlich von den Umständen des Einzelfalls abhängen und sich auf die geplante Gesamtdauer des Verfahrens beziehen müssen. Bei einem Verfahren, das ohnehin schon länger als zehn Hauptverhandlungstage dauert, wird eine Verfahrensverzögerung von ein oder zwei Stunden noch nicht erheblich sein.
Schließlich wird in § 243 Abs. 5 S. 4 Hs. 2 StPO auf