– Teil 2: Arbeitsförderung und Grundsicherung für Arbeitsuchende (SGB II u. III), Schwerbehindertenrecht (SGB IX), Sozialhilferecht (SGB XII)
I. Arbeitsförderung und Grundsicherung für Arbeitsuchende (SGB II u. III)
1. Grundlagen
Das Arbeitsförderungsrecht in Deutschland existiert im SGB III seit 1998. Vorläufer war das Arbeitsförderungsgesetz. Mit den weithin als Hartz I bis IV bekannten Reformen wurde das Arbeitsförderungsrecht zwischen 2003 und 2006 tiefgreifend reformiert. Besonders die Auswirkungen der Zusammenlegung von Arbeitslosenhilfe und Sozialhilfe zum Arbeitslosengeld II sind vor allem in Gewerkschafts- und Sozialverbandskreisen bis heute umstritten und Gegenstand zahlreicher gerichtlicher Auseinandersetzungen. Insbesondere die Mitwirkungsobliegenheiten des Arbeitslosen sind gegenüber der alten Rechtslage fundamental verändert worden.
Hauptziel der Arbeitsförderung ist die Vermeidung und Beendigung von (Langzeit-)Arbeitslosigkeit. Auch die Förderung der beruflichen Bildung ist ein zentraler Bestandteil arbeitsmarktpolitischer Maßnahmen. Hierfür stehen Arbeitsagenturen und Jobcentern Förderinstrumente zur Verfügung, die im SGB II und III verankert sind.
Das Arbeitslosengeld ist eine Entgeltersatzleistung als bedürfnisunabhängige Leistung in Form einer Versicherungsleistung und geht zurück auf die 1920er Jahre.
2. Arbeitsförderung
a) Berechtigte
Arbeitnehmer, Heimarbeiter, Auszubildende, Ausbildungs- und Arbeitsuchende haben Anspruch auf Leistungen der Arbeitsförderung.
Versicherungspflichtig sind Personen, die gegen Arbeitsentgelt oder zu ihrer Berufsausbildung beschäftigt sind (versicherungspflichtige Beschäftigung), vgl. § 25 Abs. 1 SGB III.
Beschäftigung i.S.d. § 7 Abs. 1 SGB IV ist die nichtselbstständige Arbeit, insbesondere in einem Arbeitsverhältnis. Anhaltspunkte für eine Beschäftigung sind eine Tätigkeit nach Weisungen und eine Eingliederung in die Arbeitsorganisation des Weisungsgebers.
Voraussetzung ist, dass der Arbeitnehmer vom Arbeitgeber persönlich abhängig ist; bei einer Beschäftigung in einem fremden Betrieb ist dies der Fall, wenn der Beschäftigte in den Betrieb eingegliedert ist und er dabei einem Zeit, Dauer, Ort und Art der Ausführung umfassenden Weisungsrecht des Arbeitgebers unterliegt. Diese Weisungsgebundenheit kann eingeschränkt und zur "funktionsgerecht dienenden Teilhabe am Arbeitsprozess" verfeinert sein.
Hinweis:
Demgegenüber ist eine selbstständige Tätigkeit vornehmlich durch das eigene Unternehmerrisiko, das Vorhandensein einer eigenen Betriebsstätte, die Verfügungsmöglichkeit über die eigene Arbeitskraft und die im Wesentlichen frei gestaltete Tätigkeit und Arbeitszeit gekennzeichnet.
Ob jemand abhängig beschäftigt oder selbstständig tätig ist, richtet sich ausgehend von den genannten Umständen nach dem Gesamtbild der Arbeitsleistung und hängt davon ab, welche Merkmale überwiegen (LSG NRW, Urt. v. 15.2.2017 – L 8 R 86/13).
Mitunter problematisch ist die versicherungsrechtliche Einordnung von Personen, die Mitglieder einer berufsständischen Versorgungseinrichtung sind.
§ 6 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 SGB VI gibt versicherungspflichtig Beschäftigten, die gleichzeitig verkammerte Mitglieder einer berufsständischen Versorgungseinrichtung sind, einen Anspruch auf Befreiung von der Versicherungspflicht nur für die Beschäftigung, wegen der sie aufgrund einer durch Gesetz angeordneten oder auf Gesetz beruhenden Verpflichtung Mitglied einer öffentlich-rechtlichen Versicherungs- oder Versorgungseinrichtung ihrer Berufsgruppe (berufsständische Versorgungseinrichtung) und zugleich kraft gesetzlicher Verpflichtung Mitglied einer berufsständischen Kammer sind.
Mit der Neuordnung des Rechts der Syndikusanwälte zum 1.1.2016 gilt § 231 Abs. 4b SGB VI: Eine Befreiung von der Versicherungspflicht als Syndikusrechtsanwalt oder Syndikuspatentanwalt nach § 6 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 SGB VI, die unter Berücksichtigung der Bundesrechtsanwaltsordnung in der ab dem 1.1.2016 geltenden Fassung oder der Patentanwaltsordnung in der ab dem 1.1.2016 geltenden Fassung erteilt wurde, wirkt auf Antrag vom Beginn derjenigen Beschäftigung an, für die die Befreiung von der Versicherungspflicht erteilt wird. Sie wirkt auch vom Beginn davor liegender Beschäftigungen an, wenn während dieser Beschäftigungen eine Pflichtmitgliedschaft in einem berufsständischen Versorgungswerk bestand.
b) Leistungen
aa) Entgeltersatzleistungen (Arbeitslosengeld u.a.)
Entgeltersatzleistungen sind gem. § 3 Abs. 4 SGB III:
- Arbeitslosengeld bei Arbeitslosigkeit und bei beruflicher Weiterbildung,
- Teilarbeitslosengeld bei Teilarbeitslosigkeit,
- Übergangsgeld bei Teilnahme an Maßnahmen zur Teilhabe am Arbeitsleben,
- Kurzarbeitergeld bei Arbeitsausfall,
- Insolvenzgeld bei Zahlungsunfähigkeit des Arbeitgebers.
Anspruch auf Arbeitslosengeld bei Arbeitslosigkeit hat, wer arbeitslos ist, sich bei der Agentur für Arbeit arbeitslos gemeldet und die Anwartschaftszeit erfüllt hat (vgl. § 137 Abs. 1 SGB III). Der Begriff der Arbeitslosigkeit ist in § 138 SGB III legaldefiniert. Details zur Arbeitslosmeldung finden sich in § 141 SGB III.
Die Anwartschaftszeit hat erfüllt, wer in der Rahmenfrist (zwei Jahre) mindestens zwölf Monate in einem Versicherungspflicht...