Der Begriff der Nutzung ist weiter als der Begriff des Gebrauchs. Gebrauch ist nur eine Form der Nutzung neben der Fruchtziehung. Für das Sondereigentum begründet § 13 Abs. 1 WEG eine umfassende Verfügungs- und Nutzungsbefugnis des Wohnungseigentümers (BVerfG, Kammerbeschl. v. 6.10.2009 – 2 BvR 693/09, ZMR 2010, 206 = NJW 2010, 220 = NZM 2010, 44). Das WEG nimmt die Formulierung des § 903 BGB in § 13 Abs. 1 WEG für die Regelung der Rechte des Wohnungseigentümers am Sondereigentum auf:

Zitat

§ 903 BGB Befugnisse des Eigentümers

Der Eigentümer einer Sache kann, soweit nicht das Gesetz oder Rechte Dritter entgegenstehen, mit der Sache nach Belieben verfahren und andere von jeder Einwirkung ausschließen.

§ 13 WEG Rechte des Wohnungseigentümers

(1) Jeder Wohnungseigentümer kann, soweit nicht das Gesetz oder Rechte Dritter entgegenstehen, mit den im Sondereigentum stehenden Gebäudeteilen nach Belieben verfahren, insbesondere diese bewohnen, vermieten, verpachten oder in sonstiger Weise nutzen, und andere von Einwirkungen ausschließen.
(2) Jeder Wohnungseigentümer ist zum Mitgebrauch des gemeinschaftlichen Eigentums nach Maßgabe der §§ 14, 15 berechtigt. An den sonstigen Nutzungen des gemeinschaftlichen Eigentums gebührt jedem Wohnungseigentümer ein Anteil nach Maßgabe des § 16.

Das Eigentum an einer Sache gewährt grundsätzlich zwei Rechte: nämlich die Nutzungen zu (be-)ziehen und über die Sache zu verfügen, also z.B. zu veräußern. Der Begriff der Nutzungen ist in § 100 BGB, der der Früchte in § 99 BGB definiert:

Zitat

§ 100 BGB Nutzungen

Nutzungen sind die Früchte einer Sache oder eines Rechts sowie die Vorteile, welche der Gebrauch der Sache oder des Rechts gewährt.

§ 99 BGB Früchte

(1) Früchte einer Sache sind die Erzeugnisse der Sache und die sonstige Ausbeute, welche aus der Sache ihrer Bestimmung gemäß gewonnen wird.
(2) Früchte eines Rechts sind die Erträge, welche das Recht seiner Bestimmung gemäß gewährt, insbesondere bei einem Recht auf Gewinnung von Bodenbestandteilen die gewonnenen Bestandteile.
(3) Früchte sind auch die Erträge, welche eine Sache oder ein Recht vermöge eines Rechtsverhältnisses gewährt.

Nutzungen sind also Früchte und Gebrauchsvorteile. Die aufgrund des Mietvertrags für eine Wohnung erzielte Miete ist eine mittelbare Sachfrucht i.S.v. § 99 Abs. 3 BGB (Bub/Treier/Emmerich, 4. Aufl. 2014, Kap. II Rn 490). Der Gebrauch einer Sache ist die Ausübung der mit der Innehabung der Sache verbundenen Rechte (Palandt/Ellenberger, 75. Aufl. 2016, § 100 BGB Rn 1). Wer die eigene Wohnung bewohnt, zieht also Nutzungen aus ihr in Form des Gebrauchsvorteils: "Der Wert der in dem Wohnvorteil liegenden Nutzungen nach § 100 BGB ist (...) nach dem ortsüblichen Mietwert zu bemessen und entspricht (...) den Kosten, die der Eigentümer gegenüber einem Mieter erspart." (BGH NJW 2009, 2523; s. auch BGH NJW 1986, 1340).

Der Begriff der Nutzung in § 13 Abs. 1 WEG entspricht der Definition in § 100 BGB. In §§ 13 Abs. 2, 14, 15 WEG wird ausdrücklich nur von Gebrauch gesprochen, wobei § 13 Abs. 2 WEG zwischen dem Mitgebrauch und den sonstigen Nutzungen unterscheidet. Das Gesetz spricht an anderen Orten von Benutzung (§§ 745, 746, 748, 1010 BGB§ 743 BGB hingegen von Gebrauch). Die Bedeutung des Begriffs Gebrauch ist weit und betrifft die tatsächliche Benutzung von Sonder- und Gemeinschaftseigentum (Timme/Dötsch, WEG, 2. Aufl. 2014, § 15 Rn 2). Der auch in § 15 Abs. 2 WEG gebrauchte Begriff des ordnungsmäßigen Gebrauchs ist neben der ordnungsmäßigen Verwaltung (zum Begriff der Verwaltung, s. unten II. 4. a) einer der zentralen Begriffe im WEG-Recht. Dem steht im Mietrecht der Begriff des vertragsgemäßen Gebrauchs gegenüber. Im Mietvertrag wird das Recht zum Gebrauch der Sache übertragen. Der Mieter darf also die Nutzungen in Form des Gebrauchsvorteils ziehen. Nutzungsrechte in Form des Rechts zur Gewinnung von Früchten werden im Mietrecht bei der Gestattung der Untermiete übertragen.

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