1. Ausgangspunkt
In der Praxis tauchen insbesondere folgende Fragen auf:
- Wie ist das Verhältnis des Mietgegenstands inkl. der Gemeinschaftsflächen zum Sonder- und Gemeinschaftseigentum?
- Gelten Vereinbarungen und Beschlüsse der Eigentümer einer Wohnungseigentümergemeinschaft auch für den Mieter eines Sondereigentümers? Und wenn ja, unter welchen Voraussetzungen?
- Welche Bedeutung hat in diesem Zusammenhang die Hausordnung, wie ist es mit Hundehaltung, der Vermietung an (Medizin-)Touristen etc., wie kann die Wohnungseigentümergemeinschaft vorgehen, wenn sie hiermit nicht einverstanden ist?
Im Mietrecht wird nicht danach unterschieden, ob die Wohnanlage im Allein- bzw. Miteigentum steht oder ob sie nach Wohnungseigentumsrecht aufgeteilt ist. Die Frage, ob der Vermieter auch Eigentümer der Mietsache ist, wird regelmäßig nicht thematisiert. Praktisch von Bedeutung ist hier die Frage: Wie weit reicht die durch den – schuldrechtlichen – Mietvertrag eingeräumte Gebrauchsbefugnis? Anders ausgedrückt: Wie weit geht der vertragsgemäße Gebrauch durch den Mieter?
Im Wohnungseigentumsrecht ist demgegenüber die sachenrechtliche Zuordnung der Ausgangspunkt. Hier sollte der beratende Anwalt wissen, welche unterschiedlichen Arten von Eigentum es gibt. Zu unterscheiden sind:
- Miteigentumsanteil am Grundstück, verbunden mit Sondereigentum (§ 3 Abs. 1, § 5 Abs. 1, § 6 Abs. 1 u. 2 WEG) an Wohnungseigentum (§ 1 Abs. 2 WEG) oder Teileigentum (§ 1 Abs. 3 WEG). Das Sondereigentum ist also unselbstständig und hängt am Miteigentumsanteil! Für die Frage, in welchem Umfang Sondereigentum entsteht, ist von Bedeutung, dass Sondereigentum nur in den Grenzen entstehen kann, die sich aus dem zur Eintragung in das Grundbuch gelangten Aufteilungsplan ergeben (BGH, Urt. v. 20.11.2015 – V ZR 284/14).
- Gemeinschaftliches Eigentum (§ 1 Abs. 5, § 5 Abs. 2, 3 WEG). Sonderfall "Sondernutzungsrecht": Hier besteht für ein oder mehrere Mitglied/er der Wohnungseigentümergemeinschaft ein Recht auf besondere Nutzung des gemeinschaftlichen Eigentums.
- Eigentum der Wohnungseigentümergemeinschaft (§ 10 Abs. 7 WEG): das sog. Verwaltungsvermögen (Sachen wie Rasenmäher und Mülleimer; Forderungen gegen Dritte und Mitglieder, aber auch das Eigentum an einer Hausmeisterwohnung).
- Eigentum eines oder mehrerer Mitglieds/er der Wohnungseigentümergemeinschaft (Stuhl in Wohnung, Wanduhr, Auto in der Tiefgarage etc.).
Hinweis:
Die Einordnung, welche Art des Eigentums vorliegt, ist auch von Bedeutung für die Frage, über welches Eigentum der Einzelne allein verfügen darf. Das Weitere ergibt sich aus den Vereinbarungen und Beschlüssen der Wohnungseigentümer. Dies folgt aus den §§ 13 bis 15 WEG. Anders ausgedrückt: Wie weit geht der ordnungsmäßige Gebrauch im Wohnungseigentumsrecht?
2. Abgrenzung Nutzung/Gebrauch
Der Begriff der Nutzung ist weiter als der Begriff des Gebrauchs. Gebrauch ist nur eine Form der Nutzung neben der Fruchtziehung. Für das Sondereigentum begründet § 13 Abs. 1 WEG eine umfassende Verfügungs- und Nutzungsbefugnis des Wohnungseigentümers (BVerfG, Kammerbeschl. v. 6.10.2009 – 2 BvR 693/09, ZMR 2010, 206 = NJW 2010, 220 = NZM 2010, 44). Das WEG nimmt die Formulierung des § 903 BGB in § 13 Abs. 1 WEG für die Regelung der Rechte des Wohnungseigentümers am Sondereigentum auf:
Zitat
§ 903 BGB Befugnisse des Eigentümers
Der Eigentümer einer Sache kann, soweit nicht das Gesetz oder Rechte Dritter entgegenstehen, mit der Sache nach Belieben verfahren und andere von jeder Einwirkung ausschließen.
§ 13 WEG Rechte des Wohnungseigentümers
(1) |
Jeder Wohnungseigentümer kann, soweit nicht das Gesetz oder Rechte Dritter entgegenstehen, mit den im Sondereigentum stehenden Gebäudeteilen nach Belieben verfahren, insbesondere diese bewohnen, vermieten, verpachten oder in sonstiger Weise nutzen, und andere von Einwirkungen ausschließen. |
(2) |
Jeder Wohnungseigentümer ist zum Mitgebrauch des gemeinschaftlichen Eigentums nach Maßgabe der §§ 14, 15 berechtigt. An den sonstigen Nutzungen des gemeinschaftlichen Eigentums gebührt jedem Wohnungseigentümer ein Anteil nach Maßgabe des § 16. |
Das Eigentum an einer Sache gewährt grundsätzlich zwei Rechte: nämlich die Nutzungen zu (be-)ziehen und über die Sache zu verfügen, also z.B. zu veräußern. Der Begriff der Nutzungen ist in § 100 BGB, der der Früchte in § 99 BGB definiert:
Zitat
§ 100 BGB Nutzungen
Nutzungen sind die Früchte einer Sache oder eines Rechts sowie die Vorteile, welche der Gebrauch der Sache oder des Rechts gewährt.
§ 99 BGB Früchte
(1) |
Früchte einer Sache sind die Erzeugnisse der Sache und die sonstige Ausbeute, welche aus der Sache ihrer Bestimmung gemäß gewonnen wird. |
(2) |
Früchte eines Rechts sind die Erträge, welche das Recht seiner Bestimmung gemäß gewährt, insbesondere bei einem Recht auf Gewinnung von Bodenbestandteilen die gewonnenen Bestandteile. |
(3) |
Früchte sind auch die Erträge, welche eine Sache oder ein Recht vermöge eines Rechtsverhältnisses gewährt. |
Nutzungen sind also Früchte und Gebrauchsvorteile. Die aufgrund des Mietvertrags für eine Wohnung erzielte Miete ist ei...