Zu berücksichtigen ist zunächst die Betriebsgefahr der beteiligten Verkehrsteilnehmer, soweit sie einer Gefährdungshaftung unterliegen (also z.B. nicht Fuhrwerke, Radfahrer). Über den Begriff der Betriebsgefahr herrscht teilweise in der Kommentarliteratur und in der Rechtsprechung Verwirrung, ohne dass sich dies allerdings auf das Ergebnis der Haftungsabwägung auswirkt. Teilweise wird unter diesem Begriff nur die abstrakte Betriebsgefahr des Kraftfahrzeugs verstanden, teilweise diejenige in der konkreten Situation, teilweise liest man auch, die Betriebsgefahr des Kraftfahrzeugs sei durch die schuldhaft fehlerhafte Fahrweise des Fahrers erhöht worden. Es sollte wie folgt unterschieden werden:
Allgemeine Betriebsgefahr ist die Gesamtheit der Umstände, welche durch die Eigenart eines Kraftfahrzeugs für die übrigen Verkehrsteilnehmer die Gefahr einer Schadensverursachung darstellen, z.B. Fahrzeuggröße, Fahrzeugart, Gewicht, Fahrzeugbeschaffenheit. Ein Pkw hat deshalb im Grundsatz eine geringere allgemeine Betriebsgefahr als ein Lkw (schwerer lenkbar, längerer Bremsweg, für andere Verkehrsteilnehmer größeres Sichthindernis).
Besondere Betriebsgefahr ist die Gesamtheit der Umstände, welche in der konkreten Verkehrssituation zu den obigen Umständen hinzutreten und die Gefahr einer Schadensverursachung erhöhen (BGH NJW 1995, 1029), so dass hierdurch die allgemeine Betriebsgefahr erhöht wird, ohne dass bereits Verschuldensmomente hinzukommen. Ein Pkw, der auf einem Parkstreifen abgestellt ist, weist keine besondere Betriebsgefahr auf. Dagegen wird bei einem Pkw, der nach links abbiegt, allein durch diesen Vorgang die allgemeine Betriebsgefahr erhöht, weil das Linksabbiegen ein komplizierter Vorgang ist (beachten des rückwärtigen Verkehrs, beachten des Gegenverkehrs, beachten des Fußgängerverkehrs an der Einmündung, ggf. Abbremsen und Herunterschalten erforderlich, Beachtung der Rückschaupflicht; vgl. BGH NJW 2005, 1351, 1354). Gleiches gilt z.B. für einen Pkw, der ein anderes Fahrzeug überholt, aber auch bei einem Verstoß gegen eine Brillenauflage (AG Dortmund SVR 2018, 260).
Da die besondere Betriebsgefahr situationsbezogen ist, kann diese im konkreten Einzelfall bei einem Fahrzeug auch höher sein, welches ansonsten eine geringere (allgemeine) Betriebsgefahr aufweist. Ein Lkw hat im fließenden Verkehr eine größere Betriebsgefahr als ein Pkw; ist der Lkw aber ordnungsgemäß am Fahrbahnrand abgestellt, geht von ihm eine geringere (besondere) Betriebsgefahr aus als von einem bei Dunkelheit unbeleuchtet auf einer Schnellstraße abgestellten Pkw.