Der Antrag auf Entbindung des Betroffenen von der Erscheinenspflicht in der Hauptverhandlung kann frühestens zusammen mit der Einlegung des Einspruchs gegen den Bußgeldbescheid wirksam gestellt werden (OLG Bamberg StraFo 2016, 348). Ein Antrag des Betroffenen hat nur Wirkung für die konkret bevorstehende Hauptverhandlung. Nach einer Aussetzung der Hauptverhandlung muss der Antrag ggf. wiederholt werden (KG DAR 2017, 714; VRS 99, 372; OLG Bamberg DAR 2012, 393; OLG Brandenburg VRS 116, 276; OLG Hamm, DAR 2006, 522; OLG Jena VRS 117, 342; OLG Karlsruhe, Beschl. v. 9.4.2015 – 2 (7) SsRs 76/15), nicht jedoch nach einer bloßen Terminsverlegung (OLG Bamberg StraFo 2016, 212). In den Fällen der Aufhebung des Urteils und Zurückverweisung der Sache an das AG muss der Antrag ebenfalls erneut gestellt werden (OLG Bamberg StraFo 2016, 524 = NStZ-RR 2017, 26).
Hinweis:
Hat der Betroffene allerdings einen allgemeinen, nicht terminsbezogenen Antrag nach § 73 Abs. 2 OWiG gestellt und hat das AG dem Antrag für den tatsächlich stattgefundenen Hauptverhandlungstermin stattgegeben, kann nach § 74 Abs. 1 S. 1 OWiG in Abwesenheit des Betroffenen verhandelt werden, wenn der ursprünglich vorgesehene Termin verlegt worden war (vgl. auch OLG Karlsruhe NStZ-RR 2015, 258).
Kann der Betroffene nicht an der Hauptverhandlung teilnehmen, müssen die Entschuldigungsgründe unverzüglich dem Gericht vorgetragen werden (zum Inhalt des Antrags s. unten II. 5; OLG Bamberg VRR 2009, 230). Ein möglichst frühzeitiger Entbindungsantrag empfiehlt sich vor allem auch deshalb, weil nach der Neufassung des § 74 Abs. 1 S. 1 OWiG ("entbunden war") die Auffassung vertreten werden könnte, dass ein Entbindungsantrag in der Hauptverhandlung nicht mehr zulässig sei, sondern der Antrag vor der Hauptverhandlung eingegangen sein müsse (so Göhler/Seitz/Bauer, § 73 Rn 4; s. dazu aber unten IV. 2. b cc).
Der Entbindungsantrag sollte so rechtzeitig an das AG geschickt werden, dass er dem Richter noch rechtzeitig vor dem Termin vorgelegt werden kann (OLG Bamberg StraFo 2017, 510; zur Kontroverse in der obergerichtlichen Rechtsprechung um den rechtzeitigen Eingang des Antrags s. einerseits OLG Hamm DAR 2011, 539 [1 ½ Stunden nicht ausreichend] m. abl. Anm. Deutscher VRR 2011, 473; andererseits OLG Bamberg, Beschl. v. 25.3.2008 – 3 Ss OWi 1326/08 [30 Minuten vor Hauptverhandlung-Beginn reichen aus] und NZV 2011, 409; s. auch noch KG VRR 2012, 195 [2 Stunden ausreichend]).
Hinweis:
Ob allerdings dem Amtsrichter der Entbindungsantrag bis zum Erlass der angefochtenen Entscheidung tatsächlich zur Kenntnis gelangt war, ist unerheblich, maßgeblich ist allein, ob der Antrag bei gehöriger gerichtsinterner Organisation dem Richter hätte rechtzeitig zugeleitet werden können (OLG Naumburg VA 2015, 195).
Über den Antrag des Betroffenen, ihn vom Erscheinen zu entbinden, muss grundsätzlich rechtzeitig vor der Hauptverhandlung entschieden werden, damit der Betroffene sich auf die getroffene Entscheidung einstellen kann (ähnlich OLG Braunschweig, Beschl. v. 12.7.2012 – Ss [OWi] 113/12 für Terminsverlegungsantrag). Ist über den rechtzeitig gestellten Antrag des Betroffenen nicht entschieden worden, kann das ggf. sein Fernbleiben in der Hauptverhandlung entschuldigen (OLG Hamm VRR 2008, 123 [Ls.]; OLG Karlsruhe zfs 1999, 538 [Antrag bereits einen Monat vor der Hauptverhandlung]; OLG Zweibrücken StraFo 1997, 81 [zumindest dann, wenn zusätzliche Tatsachen belegen, dass der Betroffene davon ausgegangen ist, seine Anwesenheitspflicht sei aufgehoben]). Zudem liegt in der unterlassenen Entscheidung eine Verletzung des Anspruchs des Betroffenen auf rechtliches Gehör (OLG Bamberg NStZ-RR 2008, 86; OLG Zweibrücken zfs 2012, 229).