aa) Unmissverständliche Formulierung
Der Verteidiger muss auf die Formulierung des Antrags große Sorgfalt verwenden. Der Antrag nach § 73 Abs. 2 OWiG muss zwar nicht als solcher formuliert sein und es genügt, wenn der Betroffene zum Ausdruck bringt, von der Pflicht zum Erscheinen in der Hauptverhandlung befreit werden zu wollen (OLG Brandenburg zfs 2018, 50; Göhler/Seitz/Bauer, OWiG, § 73 Rn 4). Der Betroffene ist aber – so die obergerichtliche Rechtsprechung – verpflichtet, einen Sachverhalt vorzutragen, der geeignet ist, sein Ausbleiben zu entschuldigen (vgl. OLG Bamberg VRR 2009, 231 m. Anm. Gieg; OLG Oldenburg NStZ 2010, 458). Nach Auffassung des OLG Düsseldorf (VRR 2007, 192) reicht es zur Begründung des Antrags, von der Anwesenheit des Betroffenen in der Hauptverhandlung zu dessen Identifizierung abzusehen, daher nicht, wenn er bei einem durch ein Lichtbild erfassten Verkehrsverstoß lediglich vorträgt, dass er "nicht bestreitet", zum Tatzeitpunkt der Fahrer des Fahrzeugs gewesen zu sein. Der Entbindungsantrag ist auch abzugrenzen vom Antrag auf Terminsverlegung (OLG Hamm VRS 108, 274).
Hinweis:
Der Verteidiger muss darauf achten, dass ein Entbindungsantrag unmissverständlich formuliert ist. Ist/war das nicht der Fall und führt das zu Nachfragen des AG, obliegt dem Betroffenen eine Mitwirkungspflicht. Er muss daher, wenn sich aus der Nachfrage des Gerichts ergibt, dass dieses ein missverständlich formuliertes Schreiben des Betroffenen anders als von diesem gewollt nicht als Entbindungsantrag auslegt, das Missverständnis aufklären. Tut er das nicht, muss er sich an dem Erklärungsgehalt, den das Gericht dem Schreiben beimisst, festhalten lassen (OLG Karlsruhe, Beschl. v. 16.12.2014 – 1 (8) SsRs 662/14).
bb) "Gehörsrügenfalle"
Das "Entbindungsbegehren" muss im Antrag also eindeutig und unmissverständlich zum Ausdruck kommen. Der Verteidiger sollte sich davor hüten, den Entbindungsantrag verklausuliert und ggf. in viel anderem Text "versteckt" zu stellen. Denn die OLG-Rechtsprechung diskutiert inzwischen ein solches Antragsverhalten unter dem Stichwort der "Gehörsrügenfalle" und sieht es als rechtsmissbräuchlich an, wenn die ausdrückliche und unmissverständliche Stellung eines Antrags möglich war (OLG Düsseldorf StRR 6/2017, 19; OLG Hamm NStZ-RR 2015, 259; OLG Oldenburg NJW 2018, 681; OLG Rostock NJW 2015, 1770; s. auch OLG Zweibrücken zfs 2018, 50). Folge davon ist dann, dass das AG den Antrag nicht bescheiden muss und in der unterlassenen Bescheidung keine Verletzung des rechtlichen Gehörs (§ 80 Abs. 1 Nr. 2 OWiG) liegt.
Allerdings darf, wenn der Antrag nicht bewusst oder in rechtsmissbräuchlicher Absicht "versteckt" oder "verklausuliert" eingereicht wird, aus dem Umstand, dass der Antrag erst am Sitzungstag kurz vor dem anberaumten Hauptverhandlungstermin beim AG eingeht, nicht auf eine "Gehörsrügenfalle" geschlossen werden mit der Folge, dass über den Antrag nicht (mehr) entschieden werden müsste (OLG Bamberg StraFo 2017, 510).