1. Einbürgerung: Rücknahme wegen Mehrehe
Rechtsgrundlage für die Rücknahme der Einbürgerung ist § 35 Abs. 1 StAG. Hiernach kann eine von Anbeginn an rechtswidrige Einbürgerung nur dann zurückgenommen werden, wenn der Verwaltungsakt u.a. durch arglistige Täuschung oder durch vorsätzlich unvollständige Angaben, die wesentlich für seinen Erlass gewesen sind, erwirkt worden ist. Die Rechtswidrigkeit der Einbürgerung kann sich daraus ergeben, dass es bereits an der Einordnung in die deutschen Lebensverhältnisse i.S.d. § 9 Abs. 1 Nr. 2 StAG mangelt. Denn nach § 9 Abs. 1 StAG sollen Ehegatten oder Lebenspartner Deutscher unter den Voraussetzungen des § 8 StAG u.a. dann eingebürgert werden, wenn gewährleistet ist, dass sie sich in die deutschen Lebensverhältnisse einordnen; dies gilt nicht, wenn sie nicht über ausreichende Kenntnisse der deutschen Sprache verfügen, ohne dass ein Ausnahmegrund erfüllt ist (§ 9 Abs. 1 letzter Hs. StAG). Nach dem Urteil des BVerwG vom 29.5.2018 (1 C 15.17) besteht wegen einer vom Einbürgerungsbewerber geschlossenen Doppelehe keine Gewähr, sich in die deutschen Lebensverhältnisse "einzuordnen".
Hinweis:
"Einordnung in die deutschen Lebensverhältnisse" ist ein unbestimmter Rechtsbegriff (BVerwGE 79, 94, 96). Eine "Einordnung" ist allein durch die Beachtung strafrechtlicher Ge- und Verbote nicht gewährleistet. Die "Einordnung" in die deutschen Lebensverhältnisse muss zwar nach den Umständen des Falls in absehbarer Zeit mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit zu erwarten sein (BVerwGE 79, 94, 96), sie muss aber im Einberufungszeitpunkt noch nicht abgeschlossen, sondern lediglich für die Zukunft gewährleistet sein (Hailbronner/Hecker, in: Hailbronner/Maaßen/Hecker/Kau, Staatsangehörigkeitsrecht, 6. Aufl. 2017, § 9 StAG Rn 20; Marx, in: GK-StAR, Stand Oktober 2009, § 9 StAG Rn 86 ff.). Eine Einordnung erfordert neben einer gewissen Mindestaufenthaltsdauer und ausreichenden Kenntnissen der deutschen Sprache auch Mindestkenntnisse der deutschen Rechts- und Gesellschaftsordnung (s.a. § 10 Abs. 1 S. 1 Nr. 7 StAG).
Schließlich stellt das BVerwG heraus, dass eine vom Einbürgerungsbewerber rechtswirksam im Ausland geschlossene weitere Ehe einem wirksamen Bekenntnis zur freiheitlichen demokratischen Grundordnung i.S.d. § 10 Abs. 1 S. 1 StAG nicht entgegenstehe.
Hinweis:
Die Schließung einer Zweitehe stellt nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung nicht die Befugnis des deutschen Gesetzgebers zum Verbot der Mehrehe und zum Schutz der Einehe grundsätzlich infrage. Allein im Abschluss einer Zweitehe liege keine Handlung, die darauf ziele, dieses Verbot grundlegend infrage zu stellen, oder die auf dessen Aufhebung gerichtet sei. Zunächst einmal sei eine – allzumal im Ausland – geschlossene Zweitehe dem Bereich privater Lebensgestaltung zuzuordnen.
2. Einbürgerung: Bedeutung einer angeordneten Maßnahmeregelung in einem strafgerichtlichen Urteil
Wurde der Einbürgerungsbewerber strafgerichtlich verurteilt und erfolgte in dem Strafurteil zusätzlich eine (unselbstständig) angeordnete Maßregel der Besserung und Sicherung (hier: Entziehung der Fahrerlaubnis), stellt sich die Frage der Auswirkung der Maßnahmeregelung auf die Einbürgerung, wenn ansonsten die Unbeachtlichkeitsgrenze des § 12a Abs. 1 S. 1 Nr. 2 StAG nicht überschritten worden ist.
Die durch das Gesetz zur Umsetzung aufenthalts- und asylrechtlicher Richtlinien der Europäischen Union vom 19.8.2007 (BGBl I, S. 1970) – EU-RichtlinienumsetzungsG 2007 – neugefasste Vorschrift des § 10 Abs. 1 S. 1 Nr. 5 StAG knüpft ihrem Wortlaut nach an das zweispurige System von Strafen (§§ 38 ff. StGB) einerseits und Maßregeln der Besserung und Sicherung (§§ 61 ff. StGB) andererseits an, welches das Strafrecht prägt. Vor diesem Hintergrund nimmt das BVerwG in seinem Urteil vom 22.2.2018 (1 C 4.17, ZAR 2018, 220 ff. = EzAR-NF 75 Nr. 14) bei schuldfähigen Tätern, die von der ersten Tatbestandsalternative erfasst würden, an, dass der einbürgerungsrechtlich relevante Anknüpfungspunkt nur die Verurteilung zu einer Strafe und nicht auch eine zusätzlich (unselbstständig) angeordnete Maßregel der Besserung und Sicherung sei. Maßregeln der Besserung und Sicherung habe der Gesetzgeber einbürgerungsrechtlich nur bei schuldunfähigen Straftätern Bedeutung beigemessen, bei denen es mangels einer verhängten Strafe an einem anderweitigen Kriterium für die Bemessung des Gewichts der Straftat fehle.