Neben dem Selbsthilferecht steht dem Nachbarn auch das Recht zu, vom Baumeigentümer gem. § 1004 BGB das Abschneiden störender Zweige und Wurzeln zu verlangen. Beide Ansprüche sind ohne Vorrang nebeneinander gegeben (BGH NJW 1973, 703; BGH DWW 1986, 239; zur Verjährung des Rückschnittanspruchs: BGH, Urt. v. 22.2.2019 – V ZR 136/18; zum Anspruch auf Kappen der Nachbarhecke: BGH, Urt. v. 8.12.2017 – V ZR 16/17, NZM 2018, 239; zum Anspruch auf Rückschnitt einer Grenzbepflanzung eines tiefer liegenden Nachbargrundstücks: BGH, Urt. v. 2.6.2017 – V ZR 230/16, ZMR 2017, 945; zu den besonderen Schadensrisiken beim Rückschnitt alter Nachbarbäume: OLG Brandenburg, Urt. v. 8.2.2018 – 5 U 109/16, IMR 2018, 473 = NZM 2018, 519; zum Anspruch auf "vorsorglichen" Rückschnitt einer Grenzbepflanzung vor der Wachstumsperiode: LG Freiburg, Urt. v. 7.12.2017 – 3 S 171/16, NZM 2018, 249; zum vorbeugenden Beseitigungsanspruch gegen die Gemeinde als Baumeigentümer wegen Befürchtung zukünftiger Schäden durch das Wurzelwerk des Baums: VG Ansbach, Urt. v. 29.11.2017 – AN 9 K 16.01056, juris).
Streitig ist, ob Ansprüche auf Kostenersatz bestehen, die für die Beseitigung im Rahmen eines Selbsthilferechts entstanden sind (dafür: BGH NJW 1973, 703, 705; BGH DWW 1986, 239; dagegen: LG Hannover NJW-RR 1994, 14; LG Berlin GE 1993, 1039).
§ 910 BGB ist auf einen schräg vom Nachbargrundstück über die Grenze wachsenden Baum nicht anwendbar. Hier ist ein Beseitigungsanspruch nach § 1004 BGB gegeben, soweit der Baum über die Grenze reicht und den Nachbar beeinträchtigt.
Sowohl das Selbsthilferecht des gestörten Eigentümers nach § 910 BGB als auch ein Beseitigungsanspruch gegen den Baumeigentümer nach § 1004 BGB kann öffentlich-rechtlich durch eingreifende örtliche Baumschutzsatzungen überlagert sein (eingehend Horst DWW 1991, 322 ff.). Die meisten Gemeinden haben Baumschutzsatzungen als Ortsrecht erlassen. Bei Bäumen, Sträuchern und sonstigen Gehölzen, die nach der Baumschutzsatzung zu erhalten sind, dürfen ohne Befreiungs- oder Ausnahmegenehmigungen Wurzeln und Zweige nicht abgeschnitten werden, wenn dies eine Schädigung oder Veränderung des Baums verursacht. Dies gilt erst recht für das Fällen der Bäume.
Ausnahmegenehmigungen zum Fällen oder Verändern der Bäume können beantragt werden. Sie werden jedoch in der Praxis nur bei kranken Bäumen erteilt oder wenn von den Bäumen eine konkrete Gefahr ausgeht (vgl. OLG Köln, Urt. v. 17. 2. 1997 – 16 U 50/96 [n.v., für die Gefährdung der Standfestigkeit einer Mauer durch einen Baum]; VGH Hessen RdL 1993, 125 [für Windbruch- und Windwurfgefahr]; OVG NW Urt. v. 18. 11. 1993 – 10 A 1668/91 [n.v., für die Gefährdung einer Grundstückszufahrt]; VG Arnsberg, Urt. v. 8. 6. 1993 – 1 K 3994/92 [n.v. für die Gefährdung der Bausubstanz eines Hauses]).
Das Verbot der Baumschutzsatzung ist von allen Beteiligten zu beachten. Werden Ausnahme- und Befreiungsgenehmigungen nicht erteilt, so kann das Verwaltungsgericht angerufen werden (Verpflichtungsklage; VGH Mannheim NVwZ 1995, 402).
Auch Entschädigungsansprüche für hinzunehmende Beeinträchtigungen werden in den meisten Fällen nicht zuerkannt. Ersatzansprüche wegen aufgewendeter Reinigungskosten stehen dem Grundeigentümer nur zu, wenn der Nachbar seinen Baum eigentlich beseitigen müsste. Umgekehrt hat der Eigentümer des beeinträchtigten Grundstücks keinen Anspruch auf Wertersatz, wenn er zur Duldung der Beeinträchtigung verpflichtet ist. Beeinträchtigungen des Grundstücks durch Laubfall, Blüten- und Samenflug und durch Astabwurf im normalen Ausmaß werden schon nicht als rechtserhebliche Beeinträchtigungen angesehen und folglich auch nicht als Grundlage einer Ausnahme- oder Befreiungsgenehmigung nach einer Baumschutzsatzung anerkannt (VG Köln NuR 1992, 442).