1. Abschiebungsanordnung gegen einen radikal-islamistischen Gefährder
Die Anordnung der Abschiebung eines Gefährders basiert nicht selten auf der behördlichen Argumentation, das Ausmaß der Radikalisierung des Betroffenen lasse es als hinreichend wahrscheinlich erscheinen, dass er seiner Überzeugung Taten folgen lassen und im Einklang mit dieser Überzeugung zu jihadistischen, mithin terroristischen Maßnahmen auch im Bundesgebiet greifen werde. Die Unterweisung in einem Ausbildungslager etwa im Umgang mit Schusswaffen oder Sprengvorrichtungen lasse für den Fall einer Rückkehr eine massive Bedrohungslage für die innere Sicherheit besorgen.
Die Abschiebungsanordnung findet ihre Rechtsgrundlage in § 58a Abs. 1 S. 1 AufenthG. Danach kann die oberste Landesbehörde gegen einen Ausländer aufgrund einer auf Tatsachen gestützten Prognose zur Abwehr einer besonderen Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland oder einer terroristischen Gefahr ohne vorhergehende Ausweisung eine Abschiebungsanordnung erlassen.
Das BVerwG hebt in seinem Urt. v. 6.2.2019 (1 A 3.18, InfAuslR 2019, 224 ff. = NVwZ-RR 2019, 738 ff.) hervor, dass der Begriff der "terroristischen Gefahr" an die neuartigen Bedrohungen anknüpfe, die sich nach dem 11.9.2001 herausgebildet, in den letzten Jahren zugenommen und sich seither rasch gewandelt hätten.
Das BVerwG betont, dass die Annahme einer terroristischen Gefahr eine unmittelbare räumliche Beziehung zwischen den terroristischen Aktivitäten und der Bundesrepublik Deutschland nicht voraussetze (so auch Bauer/Dollinger in Bergmann/Dienelt, Ausländerrecht, 12. Aufl. 2018, § 58a AufenthG Rn 23; a.A. Funke-Kaiser in Fritz/Vormeier (Hrsg.), Gemeinschaftskommentar zum Aufenthaltsgesetz, Stand Januar 2019, § 58a AufenthG Rn 19). Terroristische Bedrohungen gefährdeten die Sicherheitsinteressen der Staatengemeinschaft und nicht allein desjenigen Staats, in dessen Gebiet sie nach dem Willen der terroristischen Kämpfer Platz greifen sollen.
Hinweis:
Die für § 58a AufenthG erforderliche besondere Gefahrenlage muss sich aufgrund einer auf Tatsachen gestützten Prognose ergeben. Aus Sinn und Zweck der Regelung ergibt sich, dass die Bedrohungssituation unmittelbar von dem Ausländer ausgehen muss, in dessen Freiheitsrechte sie eingreift.
Das BVerwG fordert für eine entsprechende "Gefahrenprognose" – wie bei jeder Prognose – zunächst eine hinreichend zuverlässige Tatsachengrundlage. Diese könne sich aus Umständen ergeben, denen (noch) keine strafrechtliche Relevanz zukomme, etwa wenn ein Ausländer fest entschlossen sei, in Deutschland einen mit niedrigem Vorbereitungsaufwand möglichen schweren Anschlag zu verüben, auch wenn er noch nicht mit konkreten Vorbereitungs- oder Ausführungshandlungen begonnen habe und die näheren Tatumstände nach Ort, Zeitpunkt, Tatmittel und Angriffsziel noch nicht feststünden. Eine hinreichende Bedrohungssituation könne sich aber auch aus anderen Umständen ergeben. Als ein derartiger Umstand sei die vollendete oder versuchte Ausreise einer salafistisch radikalisierten Person anzusehen, die mit dem Ziel erfolge, an dem militärischen oder terroristischen "Kampf zur Verteidigung des Islams" teilzunehmen und/oder sich für terroristische Zwecke ausbilden zu lassen, um sodann als "Märtyrer" ins Paradies einzuziehen. Sei eine solche Reise für diese oder andere terroristische Zwecke bestimmt, so sei es für die Annahme jedenfalls einer terroristischen Gefahr grds. unerheblich, dass diese Person noch keine konkreten Vorstellungen von dem Ort der Begehung terroristischer Straftaten entwickelt habe.
Hinweis:
In jedem Fall bedarf es einer umfassenden Würdigung der Persönlichkeit des Ausländers, seines bisherigen Verhaltens, seiner nach außen erkennbaren oder geäußerten inneren Einstellung, seiner Verbindungen zu anderen Personen und Gruppierungen, von denen eine terroristische Gefahr und/oder eine Gefahr für die innere Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland ausgeht, sowie sonstiger Umstände, die geeignet sind, den Ausländer in seinem gefahrträchtigen Denken oder Handeln zu belassen oder zu bekräftigen.
2. Unwirksame Asylantragsrücknahme im Dublin-Verfahren
Lehnt das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge den Asylantrag wegen anderweitiger internationaler Zuständigkeit (z.B. Asylantragstellung zuvor in Österreich) als unzulässig ab und ordnet die Abschiebung in das Land der ersten Asylantragstellung an, erhebt der Antragsteller dagegen Klage und nimmt diese anschließend zurück und beschränkt den Asylantrag auf die Feststellung nationaler Abschiebungsverbote, stellt sich die Frage, ob die Entscheidungen des Bundesamts rechtmäßig sind.
Das BVerwG hat in seinem Urt. v. 26.2.2019 (1 C 30.17, InfAuslR 2019, 248 ff.) dargelegt, dass in dem Fall, in dem ein Asylbewerber seinen Antrag auf internationalen Schutz unter Aufrechterhaltung eines Antrags auf Feststellung nationaler Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und 7 S. 1 AufenthG zurückgenommen habe, die Wirksamkeit der Rücknahme die Darlegung voraussetze, dass das aufrechterhaltene Abschiebungsschutzbegehren nicht auf Gründe gestützt werde, die dem internationalen Schutz (Flüch...