Die Stiftung ist eine sonderbare Figur im deutschen Recht. Die in der Stiftungspraxis typische rechtsfähige Stiftung des bürgerlichen Rechts, die ihre Rechtsgrundlagen in den §§ 80 ff. BGB und in den Landesstiftungsgesetzen hat, ist dadurch gekennzeichnet, dass der Stifter auf der Grundlage eines von ihm verfassten Stiftungsgeschäfts und der diesem korrespondierenden Satzung sein Vermögen oder einen Teil davon der Stiftung zur Verfügung stellt. Grundsätzlich wird mit den Erträgen des Stiftungsvermögens der vom Stifter vorgegebene Zweck – 95 % der Zwecke sind gemeinnützig i.S.d. §§ 52 ff. AO – erfüllt. Zur Errichtung der Stiftung bedarf es neben dem Stiftungsgeschäft und der Stiftungssatzung der Anerkennung durch die Stiftungsbehörde. Die Anerkennung (§ 80 Abs. 2 BGB) ist ein rechtsgestaltender Verwaltungsakt, er lässt die Stiftung als juristische Person entstehen. Da die Stiftung keine Willensbildungsorgane hat, vielmehr der im Stiftungsgeschäft, insb. aber in der Stiftungssatzung manifestierte Stifterwille maßgebend für das Leben das Stiftung ist, kommt den Regelungen der Stiftungssatzung sowie ihren Änderungen große Bedeutung zu. Ausführende Organe sind in jedem Fall der Vorstand (§§ 86, 26 BGB) und mögliche – gesetzlich aber nicht vorgegebene – weitere Organe (Kuratorium, Beirat, Stifterversammlung, Familientag etc.).
In dem vom BVerwG in seinem Beschl. v. 6.3.2019 (6 B 135.18, npoR 2019, 125 ff. = NZG 2019, 867 ff. = NVwZ-RR 2019, 610 ff.) behandelten Fall ist die Rechtsfrage von Bedeutung, ob sich ein Vorstandsmitglied einer rechtsfähigen Stiftung bürgerlichen Rechts bei organschaftlichen Beschlussfassungen im Vorstand durch ein anderes Vorstandsmitglied vertreten lassen kann. Als zivilrechtliche Vorfrage prägt sie die Rechtmäßigkeit der streitgegenständlichen Genehmigung der Satzungsänderung durch die Stiftungsbehörde, die dem öffentlichen Recht zuzuordnen ist.
Das BVerwG führt aus, der Beschluss eines Stiftungsvorstands sei ein Rechtsgeschäft in der Form eines Gesamtakts, das mehrere gleichgerichtete Willenserklärungen der Organmitglieder bündele. Damit gelte auch für die einzelne Willenserklärung jedes Vorstandsmitglieds als Teil des Beschlusses der letztlich in der Privatautonomie wurzelnde rechtsgeschäftliche Grundsatz, dass Abgabe und Empfang einer Willenserklärung der Stellvertretung zugänglich seien, wenn und soweit kein gesetzliches oder rechtsgeschäftliches Vertretungsverbot bestehe. Das Bürgerliche Gesetzbuch enthalte hinsichtlich des Vorstands einer Stiftung nur in § 81 Abs. 1 S. 3 Nr. 5 BGB die Vorgabe, dass durch das Stiftungsgeschäft die Stiftungssatzung Regelungen zur Bildung des Vorstands enthalten müsse. Im Übrigen ordne § 86 S. 1 BGB an, dass bestimmte Vorschriften des Vereinsrechts auf Stiftungen entsprechende Anwendung fänden, jedoch nur insoweit, als sich nicht aus der Stiftungsverfassung ein anderes ergebe (§ 86 S. 1 Hs. 2 BGB). Gemäß § 27 Abs. 3 BGB fänden auf die Geschäftsführung des Vorstands die Vorschriften der §§ 664 bis 670 BGB entsprechende Anwendung; nach § 664 Abs. 1 S. 1 BGB dürfe im Zweifel der Beauftragte die Ausführung des Auftrags nicht einem Dritten übertragen. Nach der Rechtsfolgenverweisung des § 28 BGB erfolge die Beschlussfassung in einem aus mehreren Personen bestehenden Vorstand nach den für die Beschlüsse der Mitglieder des Vereins geltenden Vorschriften der §§ 32 und 34 BGB. Demzufolge bestehe im Stiftungsrecht für Beschlussfassungen der Vorstandsmitglieder kein explizites Vertretungsverbot.
Hinweis:
Ist nach der gesetzlichen Regelung eine Stellvertretung im Stiftungsvorstand durch Bevollmächtigung eines anderen Vorstandsmitglieds im Einzelfall möglich, bedarf es dafür keiner ausdrücklichen Gestattung im Satzungstext. Vielmehr reicht es aus, wenn sich der Stiftungssatzung eine entsprechende Ermächtigung im Wege der Auslegung entnehmen lässt. Das ergibt sich aus der Maßgeblichkeit des Stifterwillens gem. § 85 BGB, wie er im Stiftungsgeschäft zum Ausdruck kommt.