(BVerfG, Beschl. v. 28.10.2020 – 1 BvR 972/20) • Wird die einstweilige Aussetzung des Vollzugs eines Gesetzes begehrt, so ist bei der Folgenabwägung ein besonders strenger Maßstab anzulegen. Müssen die für eine vorläufige Regelung sprechenden Gründe schon im Regelfall so schwer wiegen, dass sie den Erlass einer einstweiligen Anordnung unabdingbar machen, so müssen sie im Fall der begehrten Außervollzugsetzung eines Gesetzes darüber hinaus besonderes Gewicht haben (vgl. BVerfG v. 17.2.2009 – 1 BvR 2492/08, BVerfGE 122, 342 [361 f.]; st.Rspr.). Insoweit ist von entscheidender Bedeutung, ob die Nachteile irreversibel oder nur sehr erschwert revidierbar oder in der Zeit zwischen dem Inkrafttreten eines Gesetzes und der Entscheidung des BVerfG in der Hauptsache sehr schwerwiegend sind (vgl. BVerfG v. 13.5.2015 – 1 BvQ 9/15 [Rn 20]). Dieser äußerst strenge Maßstab stellt auch sehr hohe Anforderungen an die Darlegung, dass solche Nachteile zu gewärtigen sind (vgl. BVerfG v. 13.5.2015 – 1 BvQ 9/15 [a.a.O.]). Insoweit bedarf es in tatsächlicher Hinsicht zumindest im Sinne einer Plausibilitätskontrolle nachvollziehbarer individualisierter und konkreter Darlegungen (vgl. BVerfG v. 10.1.2006 – 1 BvR 939/05, BVerfGK 7, 188 [192]). Zudem sind in einem solchen Fall darüber hinaus die Auswirkungen auf alle von dem Gesetz Betroffenen zu berücksichtigen, nicht nur die Folgen, die sich für den Beschwerdeführer ergeben (vgl. BVerfGE 122, 234 [362]). Dies gilt allerdings nur dann, wenn ein Beschwerdeführer zumindest auch einen eigenen schweren Nachteil hinreichend substantiiert vorträgt (vgl. BVerfG v. 11.3.2008 –1 BvR 256/08, BVerfGE 121, 1 [17f]; s auch BVerfG v. 5.7.2013 – 1 BvR 1014/13 [Rn 3]). Wirtschaftliche Nachteile, die Einzelnen durch den Vollzug eines Gesetzes entstehen, sind im Allgemeinen nicht geeignet, die Aussetzung der Anwendung von Normen zu begründen (BVerfGK 7, 188 [191f]). Tatsächliche Auswirkungen wirtschaftlicher Art können regelmäßig nicht als von ganz besonderem Gewicht bewertet werden, wenn sie nicht existenzbedrohende Ausmaße annehmen. Das Erfordernis der Neuberechnung der nach § 5 Abs. 1 S 2 MietBegrG BE zulässigen Miethöhe stellt keinen besonders schweren Nachteil dar, der eine Aussetzung des Inkrafttretens der Norm rechtfertigen könnte. Die geforderte Neuberechnung wirft regelmäßig keine besonderen Schwierigkeiten auf, insb. da es sich bei den hierfür maßgeblichen Umständen weitgehend um solche handelt, die schon bislang für die Bildung der ortsüblichen Vergleichsmiete gem § 558 Abs. 2 BGB in den örtlichen Mietspiegeln herangezogen werden (vgl. BVerfG v. 10.3.2020 – 1 BvQ 15/20 [Rn 25]). Die Antragstellerin hat weder einen eigenen schwerwiegenden Nachteil infolge des Inkrafttretens der betroffenen Norm aufgezeigt (wird ausgeführt), noch sind für diesen Fall irreversible Schäden zu erwarten. Aufgrund dessen können i.R.d. vorliegenden Entscheidung mögliche Nachteile für die Gesamtheit der Vermieter oder auch für Dritte nicht berücksichtigt werden. Ungeachtet dessen werden jedenfalls für die Gesamtheit oder eine erhebliche Zahl der Vermieter Berlins keine solchen Nachteile aufgezeigt (Hinweis insb. auf die Möglichkeit eines Härtefallantrags gem. § 8 MietBegrG BE). Zur Ablehnung eines Eilantrags gegen den Berliner „Mietendeckel” s. bereits Kammerbeschluss vom 10.3.2020 – 1 BvQ 15/20. [Hinweis der Red.: Orientierungssätze, abrufbar in juris].
ZAP EN-Nr. 538/2020
ZAP F. 1, S. 1163–1164