Wird einem Beamten eine dienstliche Beurteilung eröffnet, kann es im Interesse des Beamten sein, dass sein Rechtsanwalt der Eröffnung beiwohnt. Das BVerwG hat in seinem Beschl. v. 17.2.2020 (2 VR 2/20, IÖD 2020, 80 ff. = DRiZ 2020, 186 f. = BayVBl 2020, 463 ff. = ZBR 2020, 263 ff.) dem Rechtsanwalt dieses Recht weder aus § 3 Abs. 3 BRAO noch aus § 14 Abs. 4 VwVfG zugestanden. Ein Rechtsanwalt könne sich für einen solchen Anspruch auch nicht mit Erfolg auf die Selbstbindung der Behörde gemäß Verwaltungspraxis und Beurteilungsrichtlinien (Art. 3 Abs. 1 GG) berufen.
Nach § 3 Abs. 3 BRAO hat jedermann i.R.d. gesetzlichen Vorschriften das Recht, sich in Rechtsangelegenheiten aller Art durch einen Rechtsanwalt seiner Wahl beraten und vor Gerichten, Schiedsgerichten oder Behörden vertreten zu lassen. Das Recht des Rechtsanwalts, als Vertreter in Rechtsangelegenheiten aller Art vor Gerichten, Schiedsgerichten oder Behörden aufzutreten (§ 3 Abs. 2 BRAO), ist ausweislich des BVerwG abhängig von dem Recht des Vertretenen, sich vertreten zu lassen. Nur soweit ein Vertretungsrecht des zu Vertretenen bestehe, sei ein Auftrittsrecht des Rechtsanwalts gegeben. Ein solches Recht des Beamten auf Teilnahme seines Rechtsanwalts an der Eröffnung der dienstlichen Beurteilung sei jedoch nicht gegeben.
Ebenso wenig sieht das BVerwG im Verwaltungsverfahrensrecht eine Grundlage. § 14 Abs. 4 S. 1 VwVfG regele zwar, dass ein Beteiligter zu Verhandlungen und Besprechungen mit einem Beistand erscheinen könne. Voraussetzung für die Anwendung des § 14 Abs. 4 VwVfG sei aber, dass die Verhandlung oder Besprechung im Rahmen eines Verwaltungsverfahrens i.S.v. § 9 VwVfG durchgeführt werde. Verwaltungsverfahren nach § 9 VwVfG wiederum müssten auf den Erlass eines Verwaltungsakts oder auf den Abschluss eines öffentlich-rechtlichen Vertrags gerichtet sein. Eine dienstliche Beurteilung sei kein Verwaltungsakt (BVerwG Buchholz 232.0 § 21 BBG 2009 Nr. 4 Rn 16 m.w.N.).
Schließlich steht dem Rechtsanwalt nach der vorgenannten Rechtsprechung typischerweise auch unter dem Gesichtspunkt der Selbstbindung der Behörde (Art. 3 Abs. 1 GG) aufgrund der Beurteilungsrichtlinien und der darauf beruhenden Verwaltungspraxis kein Teilnahmerecht an der Beurteilungseröffnung für den von ihm vertretenen Beamten zu. Soweit Beurteilungsrichtlinien das Anwesenheitsrecht einer Vertrauensperson einräumten, sei diese regelmäßig auf eine passive Teilnahme an der Eröffnung der dienstlichen Beurteilung beschränkt. Der Vertrauensperson seien keine Mitwirkungsrechte eingeräumt. Dies entspreche Bedeutung und Regelungszweck der Eröffnung und Besprechung einer dienstlichen Beurteilung (vgl. § 50 Abs. 3 S. 1 BLV).
Hinweis:
Die Besprechung einer dienstlichen Beurteilung dient zum einen dem Beurteiler dazu, seine Bewertung des Beamten diesem nachvollziehbar zu machen. Zum anderen gibt sie dem Beamten Gelegenheit, etwaige Einwände, ergänzende Hinweise und Änderungswünsche als Gegenvorstellungen zunächst formlos vorzutragen und mit dem Beurteiler zu erörtern. Dies alles steht unter dem Zeichen einer vertrauensvollen Zusammenarbeit zwischen Erstbeurteiler und zu Beurteilendem (vgl. näher Lemhöfer in Lemhöfer/Leppek, Das Laufbahnrecht der Bundesbeamten, Loseblatt, Stand April 2015, § 50 BLV Rn 12). Das Eröffnungsgespräch dient mithin v.a. dazu, dass der Beurteiler ggf. – auf entsprechende Einwände hin – das in der dienstlichen Beurteilung über den Beamten getroffene Werturteil und – soweit möglich – die dem zugrunde liegenden Tatsachen erläutert, konkretisiert und damit plausibel macht. Dagegen hat das Gespräch des Erstbeurteilers mit dem Beamten nicht den Zweck, eine Diskussion mit dem Beamten über den zu vergebenden Punktwert oder die Gesamtnote zu eröffnen; dies ist ein möglicher, jedoch nicht zwingender Gegenstand dieser Erörterung (OVG Münster DÖD 2000, 161 f. = RiA 2000, 196 f.). Vielmehr geht es darum, dem Beamten aufzuzeigen, wo aus Sicht des Erstbeurteilers seine Stärken und Schwächen – die sich in der dienstlichen Beurteilung niedergeschlagen haben – liegen, und darüber zu sprechen (Willems, NWVBl. 2001, 121, 128).