1. Öffentlichkeit der Verhandlung bei einem Ortstermin
Vor allem in baurechtlichen Verfahren kann die Besichtigung der örtlichen Gegebenheiten durch das Gericht erforderlich sein. In diesem Zusammenhang stellt sich die Frage, wie es sich rechtlich verhält, wenn das Gericht die mündliche Verhandlung nicht in seinem Gerichtsgebäude, sondern unter Durchführung einer Ortsbesichtigung auf den überplanten Grundstücken durchführt. Nach § 55 VwGO i.V.m. § 169 Abs. 1 S. 1 GVG ist die Verhandlung vor dem Gericht einschließlich der Verkündung der Urteile und Beschlüsse öffentlich. Eine Verhandlung ist im Sinne dieser Vorschriften öffentlich, wenn sie in Räumen stattfindet, die während der Dauer der mündlichen Verhandlung jedermann zugänglich sind (BVerwG vgl. Buchholz 310 § 133 VwGO Nr. 91 S. 38, BauR 2012, 1097 Rn 3 und vom 14.6.2016 – 4 B 45.15, juris Rn 12).
Nach dem Beschluss des BVerwG vom 10.1.2020 (4 BN 52/19) lassen es § 55 VwGO i.V.m. § 169 Abs. 1 S. 1 GVG zu, aus Anlass einer Ortsbesichtigung außerhalb des Gerichtsgebäudes mündlich zu verhandeln. In diesem Fall sei es nicht geboten, die mündliche Verhandlung durch Aushang bekannt zu machen. Das BVerwG hat offengelassen, ob es eines Aushangs im Gerichtsgebäude bedürfe (in dem Verfahren war das Fehlen einer solchen Bekanntgabe nicht gerügt worden). Es folge nicht dem Urteil des OLG Hamm (NJW 1974, 1780), soweit diesem weitergehende Anforderungen zu entnehmen seien.
2. Verhinderung des Zugangs zu äußeren Merkmalen von Dateien als Geschäftsgeheimnisschutz
Vornehmlich in verwaltungsgerichtlichen Verfahren, die Auskunftsansprüche nach den Informationsfreiheitsgesetzen zum Gegenstand haben und bei denen die Verwaltungsgerichte die Vorlage der für die Auskunftsansprüche relevanten Unterlagen aufgeben, versehen die Behörden sämtliche oder manche der vorgelegten Unterlagen mit einer Sperrerklärung gem. § 99 Abs. 1 S. 2 VwGO, weil diese Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse enthielten.
Zu den Vorgängen, die gem. § 99 Abs. 1 S. 2 Alt. 3 VwGO ihrem Wesen nach geheim zu halten sind, gehören Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse (st.Rspr., vgl. zuletzt BVerwG, Beschl. v. 11.10.2019 – 20 F 11.17, juris Rn 13 m.w.N.). Zu den nach Art. 12 Abs. 1 und Art. 14 Abs. 1 GG geschützten Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen zählen dabei alle auf ein Unternehmen bezogenen Tatsachen, Umstände und Vorgänge, die nicht offenkundig sind. § 2 Nr. 1 Buchst. a des Gesetzes zum Schutz von Geschäftsgeheimnissen vom 18.4.2019 (BGBl I, S. 466 – GeschGehG) spricht von einer Information, die weder insgesamt noch in der genauen Anordnung und Zusammensetzung ihrer Bestandteile den Personen in den Kreisen, die üblicherweise mit dieser Art von Informationen umgehen, allgemein bekannt oder ohne Weiteres zugänglich ist und daher von wirtschaftlichem Wert ist. Neben dem Mangel an Offenkundigkeit der zugrunde liegenden Informationen setzt ein Geschäfts- oder Betriebsgeheimnis ein berechtigtes Interesse des Unternehmens an deren Nichtverbreitung voraus (§ 2 Nr. 1 Buchst. c GeschGehG). Ein solches Interesse besteht, wenn die Offenlegung der Informationen geeignet ist, exklusives technisches oder kaufmännisches Wissen den Marktkonkurrenten zugänglich zu machen und so die Wettbewerbsposition des Unternehmens nachteilig zu beeinflussen.
Hinweis:
Schutzzweck des Betriebs- und Geschäftsgeheimnisses ist die Verteidigung der wirtschaftlichen Stellung des Betroffenen gegenüber den Marktkonkurrenten. Erforderlich ist demnach eine Wettbewerbsrelevanz der offenzulegenden Unterlagen, die darin zum Ausdruck kommen muss, dass die Information Gegenstand von den Umständen nach angemessenen Geheimhaltungsmaßnahmen durch ihren rechtmäßigen Inhaber ist (§ 2 Nr. 1 Buchst. b GeschGehG).
Das BVerwG hat in seinem Beschl. v. 5.3.2020 (20 F 3/19, BB 2020, 1168 ff. = CR 2020, 321 f. = NVwZ 2020, 715 ff. = ZD 2020, 373 f. und Hofmann, NVwZ 2020, 718 f. [Anm.]) ausgeführt, der Begriff des Geschäftsgeheimnisses in § 2 Nr. 1 GeschGehG umfasse nicht nur kaufmännische, sondern auch betriebstechnische Informationen (BT-Drucks 19/4724, S. 24). Die in den Unterlagen geschwärzten Informationen seien nicht isoliert, sondern in ihrem Gesamtzusammenhang und ihrem spezifischen Bezug zu sehen und deshalb insgesamt vor einer Offenlegung zu schützen. Denn der Schutz des Geschäftsgeheimnisses umfasse – wie § 4 Abs. 1 Nr. 1 GeschGehG zeige – nicht nur das Verbot des unbefugten Zugriffs auf Dateien, die das Geschäftsgeheimnis enthielten, sondern auch bereits die Verhinderung des Zugangs zu Dateien, aus denen sich das Geschäftsgeheimnis ableiten lasse. Dementsprechend seien auch die äußeren Merkmale von Dateien (wie Dateiname, Dateiendung, Dateityp und Dateigröße oder ähnliche Metadaten) geheim zu halten, die Rückschlüsse auf das Geschäftsgeheimnis zuließen.
Hinweis:
Das Ergebnis der Ermessensausübung nach § 99 Abs. 1 S. 2 VwGO kann in bestimmten Fallkonstellationen durch den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit rechtlich zwingend vorgezeichnet sein (vgl. BVerwGE 130, 236 Rn 20). Dies kommt namentlich dann in Betracht, wenn ein privates Interesse an der Geheimhaltung besteht, das grundrechtlich geschützt ist. Denn ...