Auch bei einem Freiwilligkeitsvorbehalt („als freiwillige Leistung ohne Rechtsanspruch”) handelt es sich um eine Vertragsbedingung i.S.v. § 305 Abs. 1 BGB (vgl. OLG Frankfurt v. 18.4.2018 – 4 U 120/17, AG 2018, 852 betreffend das Vorstandsmitglied einer AG). Mit dieser vom Arbeitgeber gestellten Klausel will dieser die vertraglichen Beziehungen der Parteien gestalten und sich ein einseitiges Recht zur Entscheidung über den Bonus vorbehalten. Selbst wenn die Klausel nur darauf zielt, die Entstehung einer betrieblichen Übung zu verhindern, wäre ihr Sinn die Festlegung der Bedeutung eines späteren Erklärungsverhaltens bereits im Vertrag (vgl. BAG v. 19.3.2014 – 10 AZR 622/13, a.a.O.).
Da durch die AGB-Kontrolle im Arbeitsrecht die Anforderungen an eine transparente, angemessene Vertragsgestaltung merklich gestiegen sind, erweisen sich Freiwilligkeitsvorbehalte im Zusammenhang mit Sonderzahlungen oftmals als unwirksam (vgl. Holthausen, ZAP 2015, 827, 832 m.w.N.; Reinfelder, a.a.O., 10, 12 f. m.w.N.; Lembke, a.a.O., 257, 260 ff.). Einen pauschalen vertraglichen Freiwilligkeitsvorbehalt, der alle zukünftigen Leistungen unabhängig von ihrer Art und ihrem Entstehungsgrund erfasst, wertet der Zehnte Senat des BAG regelmäßig als unangemessene Benachteiligung des Arbeitnehmers, weshalb eine entsprechende Regelung gem. § 307 Abs. 1 S. 1 BGB unwirksam ist (BAG v. 16.1.2013 – 10 AZR 26/12, NZA 2013, 1013; vgl. auch OLG Frankfurt v. 18.4.2018 – 4 U 120/17, a.a.O.). Der Begriff „freiwillig” im Zusammenhang mit einer Sonderzahlung bringt regelmäßig lediglich zum Ausdruck, dass der Arbeitgeber nicht bereits durch Gesetz, Tarifvertrag oder Betriebsvereinbarung zur Zahlung verpflichtet ist. Er genügt für sich genommen nicht, um einen Rechtsanspruch auf die Leistung auszuschließen (BAG v. 13.5.2015 – 10 AZR 266/14, a.a.O.; Preis/Sagan, NZA 2012, 1077; Lakies, ArbRAktuell 2012, 469). Ein arbeitsvertraglicher Freiwilligkeitsvorbehalt zielt darauf ab, das Entstehen eines Anspruchs auf die unter Vorbehalt gestellte Leistung einerseits sowie einer betrieblichen Übung andererseits zu verhindern (vgl. Kössel, DB 2016, 2963). Die vorstehenden rechtlichen Zusammenhänge werden in der Praxis oft verkannt. „Freiwillig” wird dabei oftmals von der Arbeitgeberseite fehlerhaft mit „beliebig” gleichgesetzt, womit dem „Freiwilligkeitsvorbehalt” ein falscher Erklärungswert und ein nicht gegebenes Flexibilisierungspotenzial beigemessen werden.
Ein Freiwilligkeitsvorbehalt scheidet aus, wenn die Absprache der Vertragsparteien einen Entgeltanspruch begründet. Die ausdrückliche Zusage einer Leistung (Anspruch) steht in einem unauflöslichen Widerspruch zum Vorbehalt der Freiwilligkeit und ist deshalb nach § 307 Abs. 1 S. 2 BGB aufgrund eines Verstoßes gegen das Transparenzgebot unwirksam (vgl. BAG v. 16.1.2013 – 10 AZR 26/12, a.a.O..; BAG v. 30.7.2008 – 10 AZR 606/07, NZA 2008, 1173). Nach § 307 Abs. 1 S. 2 BGB kann sich eine unangemessene Benachteiligung daraus ergeben, dass die Vertragsbestimmung nicht klar und verständlich ist. Sinn des Transparenzgebots ist es, der Gefahr vorzubeugen, dass der Vertragspartner des Klauselverwenders von der Durchsetzung bestehender Rechte abgehalten wird (vertiefend Reinfelder, a.a.O., 10 f.). Ein Verstoß gegen das Transparenzgebot liegt deshalb nicht schon dann vor, wenn der Arbeitnehmer keine oder nur eine erschwerte Möglichkeit hat, die betreffende Regelung zu verstehen. Erst in der Gefahr, dass der Vertragspartner des Klauselverwenders wegen unklar abgefasster AGB seine Rechte nicht wahrnimmt, liegt eine unangemessene Benachteiligung i.S.v. § 307 Abs. 1 BGB (vgl. BAG v. 16.1.2013 – 10 AZR 26/12, a.a.O.; BAG v. 18.5.2011 – 10 AZR 206/10, NZA 2011, 1289; Hessisches LAG v. 7.6.2018 – 19 Sa 703/17, juris).
Musterformulierung Freiwilligkeitsvorbehalt im Arbeitsvertrag (vgl. Kössel, a.a.O., 2963; Bauer/Heimann, NZA-Beilage 2014, 114):
„Erbringt der Arbeitgeber gegenüber dem Arbeitnehmer eine Sonderzuwendung, ist dies eine freiwillige Leistung, auf die kein Rechtsanspruch besteht. Die Sonderzuwendung honoriert ausschließlich Betriebstreue und dient als Anreiz für künftige Betriebstreue. Der Arbeitgeber entscheidet stets neu und einzelfallbezogen, ob und in welcher Höhe er eine Sonderzuwendung erbringt. Aus der Erbringung einer Sonderzuwendung kann für die Zukunft kein Anspruch abgeleitet werden. Das gilt auch dann, wenn die Sonderzuwendung wiederholt erbracht wird. Eine betriebliche Übung ist ausgeschlossen. Der Vorrang individueller Vertragsabreden bleibt hiervon unberührt.” |
Die Rechtsprechung des Zehnten Senats hat Freiwilligkeitsvorbehalte in Arbeitsverträgen in ihrer Funktionsweise durch eine scharfe AGB-Kontrolle stark eingeschränkt (vgl. BAG v. 19.3.2014 – 10 AZR 622/13, a.a.O.; vertiefend Willemsen/Jansen, RdA 2010, 1 zur Befristung von Entgeltbestandteilen als Alternative zu Widerrufs- und Freiwilligkeitsvorbehalten) und die Arbeitgeber auf den einzelfallbezogenen Freiwilligkeitsvorbehalt bei der konkreten Leistung...