Es bedarf im Bereich der variablen Vergütung der qualifizierten rechtlichen Orientierung und einer entsprechend sorgfältigen Vertragsgestaltung, die den Anforderungen einer jeweils zeitgemäßen AGB-Kontrolle gem. den §§ 305 ff. BGB standhält. Bisher geläufige Standard-Vertragsmuster sind immer mit Vorsicht zu genießen und stets kritisch zu hinterfragen. „Gute Vertragsgestaltung” zeichnet sich dadurch aus, dass sie einzelfallbezogen versucht, die Zielvorstellungen des Mandanten bestmöglich zu realisieren, indem sie rechtssichere und wirtschaftlich sinnvolle Lösungen bereithält. Die im steten Fluss befindliche Rechtsprechung des BAG ist dabei genau zu beobachten und die aktualisierten Vorgaben sind im Rahmen von Arbeitsvertragsupdates turnusmäßig einzuarbeiten.

Dabei darf auch nicht übersehen werden, dass der Wandel der Wirtschafts- und Arbeitswelt auch vor der (variablen) Vergütung nicht haltmacht. Da einerseits der Trend zu einer Unternehmensorganisation in Netzwerken (Matrix) und autonomen Teams geht und klassische Hierarchien an Bedeutung verlieren sowie anderseits oft nicht mehr das individuelle Arbeitsprodukt, sondern das Gruppenergebnis im Vordergrund steht, sind auch mit Blick auf den Verlust von Kontroll- und Motivationsmöglichkeiten des Arbeitgebers in einer digitalen Arbeitswelt die Vergütungs- und Anreizsysteme zu überdenken und neu auszurichten, um mit ihnen den gewünschten Erfolg zu erzielen (vgl. Günther/Boglmüller, a.a.O., 95).

Mit Blick auf den Charakter des Arbeitsverhältnisses (vgl. Brors, a.a.O., 273), gesetzliche Mindestlohnvorgaben, tarifliche Vorgaben und den Grundsatz, dass der Arbeitgeber das Wirtschaftsrisiko trägt, sind vollständig variabel ausgestaltete Vergütungssysteme mit Blick auf § 615 S. 3 BGB problematisch. Nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung (vgl. BAG v. 12.1.2005 – 5 AZR 364/04, a.a.O.; BAG v. 10.10.1990 – 5 AZR 404/89, NZA 1991, 264) darf das Wirtschaftsrisiko nicht vollständig auf den Arbeitnehmer abgewälzt werden. Dieses Risiko liegt grds. beim Arbeitgeber. Eine arbeitsvertragliche Vergütungsregelung, die den Arbeitnehmer vollständig mit dem Wirtschaftsrisiko belastet, ist deshalb sittenwidrig i.S.v. § 138 Abs. 1 BGB (Günther/Boglmüller, a.a.O., 95, 97; ausführlich Brors, a.a.O., 273, 274; a.A. Annuß, a.a.O., 290, 291). Abhängig von der Stellung des Arbeitnehmers im Unternehmen und der Höhe der Fixvergütung kann eine Variabilisierung von bis zu 75 % zulässig sein (König, NZA-RR 2012, 449, 450). In Anlehnung an die Rechtsprechung des BAG zum Widerrufsvorbehalt (BAG v. 24.1.2017 – 1 AZR 774/14, a.a.O.; BAG v. 12.1.2005 – 5 AZR 364/04, a.a.O.) im Rahmen von Zielvereinbarungen wird jedoch überwiegend ein Anteil von 25 % bis 30 % für zulässig gehalten (vgl. Wisskirchen/Schwindling, ArbRAktuell 2017, 155, 156; Riesenhuber/v. Steinau-Steinrück, a.a.O., 785, 790). Insbesondere wenn die Erreichung des vorgegebenen Ziels (auch) von Dritteinflüssen abhängt, scheint ein fixes Grundentgelt von mindestens ⅔ der marktüblichen Vergütung angemessen (vgl. Günther/Boglmüller, a.a.O., 95, 97 f.).

Durch die gerichtliche Kontrolle Allgemeiner Geschäftsbedingungen wird die Freiheit des Arbeitgebers eingeschränkt, Entgelte nach seinen Vorstellungen zu gestalten. Diese Beschränkung ist geboten, um die strukturelle Benachteiligung des Arbeitnehmers angemessen auszugleichen. Je klarer die Entgeltregelung formuliert ist und je weniger der Verwender versucht, ausschließlich seine Interessen in den Vordergrund zu stellen, desto eher halten solche Vertragsklauseln einer Transparenz- und Inhaltskontrolle stand. Dem Arbeitgeber bleibt dabei ein ausreichender Spielraum, einen Teil der Vergütung variabel zu gestalten, Leistungsanreize zu schaffen und wirtschaftlichen Veränderungen Rechnung zu tragen (Reinfelder, a.a.O., 10, 16). Da die vorstehende Aussage aus der Feder eines Richters am BAG (10. Senat), Waldemar Reinfelder, stammt, gibt sie einerseits die maßgebliche Auffassung beim BAG in Erfurt wieder und schafft andererseits Orientierung, warum es sinnvoll ist, die andere Vertragspartei im Sinne fairen Verhandelns nicht zu überfordern. Statt „viel hilft viel” ist es sinnvoller, klare, bestimmte, angemessene und rechtssichere Vertragsgestaltungen im Bereich der variablen Vergütung zu wählen.

ZAP F. 17, S. 1171–1188

Von Rechtsanwalt und Fachanwalt für Arbeitsrecht Dr. Joachim Holthausen, Köln

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