a) Tatbestandsalternativen
Zur Strafbarkeit nach § 315c StGB ist auf folgende Entscheidungen hinzuweisen: Übermüdung kann einen geistigen oder körperlichen Mangel i.S.d. § 315c Abs. 1 Nr. 1 Buchst. b StGB darstellen. Allerdings ist ein solcher Übermüdungszustand zu verlangen, welcher für den Beschuldigten die erkennbare Erwartung eines nahen Sekundenschlafs mit sich bringt; der Fahrer also bei sorgfältiger Selbstbeobachtung die Übermüdung hätte bemerken können oder mit ihrem Eintritt hätte rechnen müssen (LG Leipzig, Beschl. v. 6.4.2020 – 6 Qs 22/20). Rollt ein Auto zurück, weil der Fahrer versehentlich den Rückwärtsgang des Automatikgetriebes eingelegt hat, liegt kein Rückwärtsfahren i.S.d. § 315c Abs. 1 Nr. 2 lit. f StGB vor (zfs 21, 51).
Rücksichtslos i.S.v. § 315c Abs. 1 Nr. 2 lit. b, Abs. 3 Nr. 2 StGB handelt, wer sich zwar seiner Pflichten als Verkehrsteilnehmer bewusst ist, sich aber aus eigensüchtigen Gründen, etwa seines ungehinderten Fortkommens wegen, darüber hinwegsetzt, mag er auch darauf vertraut haben, dass es zu einer Beeinträchtigung anderer Personen nicht kommen werde, oder wer sich aus Gleichgültigkeit nicht auf seine Pflichten besinnt und Hemmungen gegen seine Fahrweise gar nicht erst aufkommen lässt und unbekümmert um die Folgen seiner Fahrweise drauflos fährt (OLG Karlsruhe DAR 2020, 697, NZV 2021, 55). Die Strafbarkeit nach § 315c Abs. 1 Nr. 2 lit. d StGB setzt einen ursächlichen Zusammenhang zwischen der konkreten Gefahr und den durch die Unübersichtlichkeit der Strecke begründeten Risiken voraus. Dieser Zusammenhang kann nur festgestellt werden, wenn auszuschließen ist, dass die konkrete Gefahr nur gelegentlich durch zu schnellen Fahrens entstanden ist, also positiv festzustellen ist, dass die Gefahr ohne die Unübersichtlichkeit des Streckenverlaufs nicht eingetreten wäre (BayObLG VA 2020, 226).
b) Vorsatz
Für die Prüfung, ob ein Unfallgeschehen mit tödlichen Folgen vom bedingten Vorsatz des Täters umfasst war, kommt es darauf an, ob der Täter den konkreten Geschehensablauf als möglich erkannt und die damit einhergehende Eigengefahr hingenommen hat. Ist dies der Fall und verwirklicht sich dieses Geschehen, ist es für die Prüfung der Vorsatzfrage unerheblich, ob er weitere Geschehensabläufe, die aus seiner Sicht mit einer höheren und deshalb von ihm nicht gebilligten Eigengefahr verbunden waren, ebenfalls für möglich erachtet hat (BGHSt 65, 42; Fortführung von BGHSt 63, 88).
c) Konkrete Gefährdung
Um eine konkrete Gefährdung einer fremden Sache von bedeutendem Wert i.S.v. § 315c StGB bejahen zu können, bedarf es bestimmter Angaben zum Wert der Sache und zur Höhe des drohenden Schadens, berechnet anhand der am Marktwert zu messenden Wertminderung (OLG Hamm, Beschl. v. 20.5.2021 – 4 RVs 48/21). Eine konkrete Gefahr i.S.d. § 315c StGB liegt regelmäßig nicht vor, wenn es einem Verkehrsteilnehmer noch möglich ist, einen Unfall durch ein im Bereich einer verkehrsüblichen Reaktion liegendes Brems- oder Ausweichmanöver abzuwenden (OLG Celle, Beschl. v. 16.2.2021 – 3 Ss 6/21, VRR 8/2021, 17). Das Vorliegen einer konkreten Gefahr ist anhand objektiver Kriterien, wie z.B. der Geschwindigkeit der beteiligten Fahrzeuge, des Abstandes zwischen ihnen sowie auch der Beschaffenheit der Fahrzeuge selbst und ggf. bestehender Ausweichmöglichkeiten zu ermitteln. Nicht ausreichend sind insoweit lediglich wertende Umschreibungen wie etwa ein „scharfes” Abbremsen oder Ausweichen (OLG Celle, a.a.O.).