Die Bundesregierung hat kürzlich den Entwurf eines Gesetzes zum Schutz von sog. Whistleblowern vorgelegt (vgl. BT-Drucks 20/3442). Dieses soll Hinweisgebern ermöglichen, auf Rechts- undâEUR™Regelverstöße in Unternehmen und Behörden aufmerksam zu machen, ohne Repressalien fürchten zu müssen. Nachdem das Vorhaben bereits in der Verbändeanhörung teils Lob, teils Kritik erfahren hat (vgl. dazu auch Anwaltsmagazin ZAP 2022, S. 656 f.), hat nun auch der Rechtsausschuss des Bundestags Experten dazu geladen. Mitte Oktober trugen diese in einer öffentlichen Anhörung in Berlin ihre Auffassungen zum Regierungsentwurf vor. Auch hier gab es neben grundsätzlicher Zustimmung eine Reihe von Aspekten, zu denen sich die Fachleute kritisch äußerten.
So sahen insb. die geladenen Vertreterinnen und Vertreter von zivilgesellschaftlichen Organisationen (sog. NGOs) den beabsichtigten Schutz der Hinweisgeber noch nicht hinreichend gewährleistet. Die Vorsitzende des Whistleblower-Netzwerks bemängelte, dass der Schutz nur beiâEUR™Hinweisen auf Verstöße gegen bestimmte Rechtsnormen zur Geltung kommen solle, während zwar nicht strafwürdiges, aber unethisches Verhalten – wie etwa Vernachlässigungen in der Altenpflege – nicht erfasst würden. Im Fall des Senders RBB wäre der bisher unbekannte Whistleblower, der den Skandal dort in Rollen brachte, nicht von dem neuen Gesetz geschützt, stellte sie fest. Der Experte der Gesellschaft für Freiheitsrechte kritisierte, dass der Whistleblower-Schutz im öffentlichen Dienst "weitgehend ausgehöhlt" zu werden drohe, da als Verschlusssache deklarierte Dokumente nicht verwertet werden könnten. "Ein Edward Snowden wäre nach diesem Gesetz nicht geschützt", so seine Einschätzung. Ebenso wenig geschützt wären nach seiner Meinung Whistleblower, die auf Verstöße gegen das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz hinwiesen. Denn das AGG gehöre zu einer Reihe von Gesetzen, die nicht in der Auflistung des Gesetzentwurfs enthalten seien. Die Vertreterin von Transparency International forderte, dass nicht nur die Meldung bei den vom Gesetz vorgesehenen Stellen in Unternehmen und Bundesbehörden den Schutz auslösen sollten, sondern auch Anzeigen bei der Staatsanwaltschaft. Sie kritisierte, dass Hinweisgeberschutz oft als bürokratische Belastung dargestellt werde. Whistleblower erbrächten aber einen enormen Beitrag zur Schadensverhinderung und Schadensminimierung für die Unternehmen und öffentliche Verwaltung.
Diese Sichtweise vertrat auch die Expertin der Gewerkschaften. Wer Missstände melde, handele im Interesse aller und habe deshalb Anspruch auf umfassenden Schutz vor Repressalien, forderte die Vertreterin des Deutschen Gewerkschaftsbundes (DGB). Nach ihrer Einschätzung schützt der Gesetzentwurf die Rechte von Aktionären umfassender als die Rechte von Beschäftigten und Betriebsräten. Vor allem im Kündigungsschutz sah sie Bedarf an Nachbesserungen. So bräuchten Hinweisgeber, denen gekündigt worden sei, während des laufenden arbeitsrechtlichen Verfahrens einen Anspruch auf Weiterbeschäftigung.
Die Vertreter aus der deutschen Wirtschaft setzten mit ihrer Kritik an einer anderen Stelle an. Einhellig forderten die Sachverständigen vonâEUR™BDA, BDI und DIHK einen Vorrang unternehmensinterner Meldestellen vor externen Stellen wie dem Bundesamt für Justiz. Denn es sei im "ureigenen Interesse der Unternehmen", von Fehlverhalten in den eigenen Reihen zu erfahren, umâEUR™es abstellen zu können. Viele Unternehmen hätten deshalb bereits freiwillig Meldestrukturen geschaffen, auch könnten Unternehmen selbst am besten entscheiden, wie Missstände abzustellen seien. Hingewiesen wurde auch auf die Sorge insb. bei kleineren und mittleren Unternehmen, dass die Umsetzung des geplanten Gesetzes mit erheblichen Kosten verbunden sein könnte. Zudem gebe es die Befürchtung in den Unternehmen, dass Beschäftigte falsche Anschuldigungen erheben könnten, um so einen Kündigungsschutz nach dem neuen Gesetz zu erlangen.
Ein geladener Juraprofessor verwies angesichts des geplanten Rechts, sich unter bestimmten Umständen auch an die Öffentlichkeit wenden zu dürfen, auf das Risiko großer Nachteile für zu Unrecht beschuldigte Personen und Unternehmen. Zudem sei die Personalplanung für das Bundesamt für Justiz als externer Meldestelle viel zu knapp; Fehler seien damit vorprogrammiert, so seine Prognose.
[Quelle: Bundestag]