1. Überblick
Als Teil des besonderen Verwaltungsrechts spielt das öffentliche Baurecht eine herausgehobene Bedeutung in der verwaltungsgerichtlichen Praxis. Dabei bleibt die praktische Anwendung baurechtlicher Normen nicht am reinen Wortlaut stehen, sondern ist über Jahrzehnte intensiv durch die Rechtsprechung geprägt und fortentwickelt worden. Der übergeordnete Zweck des öffentlichen Baurechts liegt in der am Allgemeinwohl orientierten Einbettung der in Art. 14 GG geschützten Baufreiheit. Als Inhalts- und Schrankenbestimmung i.S.d. Art. 14 Abs. 1 S. 2 GG begrenzt das Baurecht die privaten Interessen an einer ungehemmten Bodennutzung.
Grob lassen sich – orientiert an der insoweit auseinanderfallenden Gesetzgebungszuständigkeit – zwei große Teilgebiete im Baurecht unterscheiden. Das Bauplanungsrecht, welches entsprechend der konkurrierenden Gesetzgebungskompetenz des Bundes aus Art. 74 Abs. 1 Nr. 18 GG v.a. im Baugesetzbuch (BauGB) sowie der Baunutzungsverordnung (BauNVO) kodifiziert ist, klärt Nutzungskonflikte, indem es v.a. die städtebauliche Planung regelt. Ist das Bauplanungsrecht nutzungs- und flächenbezogen, so weist das Bauordnungsrecht, welches als Teil des Gefahrenabwehrrechts in die Gesetzgebungszuständigkeit der Länder fällt (Art. 70 GG), einen Objektbezug auf, indem es sich neben Fragen der Zuständigkeit und des Verfahrens v.a. mit den Genehmigungs- und Eingriffsbefugnissen der Bauaufsichtsbehörden befasst. So finden sich hier auch die eingangs erwähnten zahlreichen bautechnischen Voraussetzungen, die eine bauliche Anlage erfüllen muss (Abstandsflächen, Statik, Brandschutz etc.). Die in diesem Zusammenhang zu beachtenden 16 Landes-Bauordnungen lehnen sich mehr oder weniger an die Musterbauordnung an, die zuletzt durch Beschluss der Bauministerkonferenz vom 25.9.2020 (MBO) geändert worden ist.
Im Zentrum einer baurechtlichen Streitigkeit steht typischerweise die Vereinbarkeit eines konkreten baulichen Vorhabens mit den bauplanungsrechtlichen und bauordnungsrechtlichen Anforderungen. Zudem darf kein Verstoß gegen andere öffentlich-rechtliche Vorschriften gegeben sein, sodass in der baurechtlichen Praxis zusätzlich auch Regelungen bspw. aus dem Immissionsschutz-, Naturschutz-, Wasser- und Denkmalschutzrecht relevant sein können. Die vorliegende Beitragsreihe beschränkt sich jedoch aus Platzgründen im Wesentlichen auf die originären baurechtlichen Regelungskomplexe.
2. Die Planungshoheit der Gemeinden
Aufgabe der örtlichen Bauleitplanung ist es nach § 1 Abs. 1 BauGB, die bauliche und sonstige Nutzung der Grundstücke in der Gemeinde vorzubereiten und zu leiten. Diese Aufgabe ist den Gemeinden zugewiesen, die nach § 1 Abs. 3 S. 1 BauGB Bauleitpläne aufzustellen haben, sobald und soweit es für die städtebauliche Entwicklung und Ordnung erforderlich ist. Diese einfachgesetzlich niedergelegte Aufgabe ist als Planungshoheit Teil der in Art. 28 Abs. 2 S. 1 GG grundgesetzlich verankerten eigenverantwortlichen Aufgabenwahrnehmung, sobald Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft betroffen sind. Aus § 1 Abs. 2 BauGB folgt dabei der zweistufige Aufbau der örtlichen Bauleitplanung, wonach Flächennutzungspläne und Bebauungspläne zu unterscheiden sind.