1. Die Baugenehmigung
Die Baugenehmigung ist ein rechtsgestaltender Verwaltungsakt, der nicht nur eine begünstigende Wirkung für den Bauherrn – Bestandsschutz und damit verbundener Investitionsschutz – sondern häufig zugleich eine belastende Drittwirkung aufweist. Nicht jedes bauliche Vorhaben ist dabei genehmigungspflichtig. Vor allem kleinere, in ihrer Wirkung begrenzte Vorhaben sind nach den jeweiligen landesrechtlichen Normen genehmigungsfrei (vgl. auch § 61 MBO). Für manche im Grundsatz genehmigungspflichtige Vorhaben ist eine Genehmigungsfreistellung (§ 62 MBO) vorgesehen. Ansonsten werden zwei Arten von Genehmigungsverfahren unterschieden: Das in der Praxis häufiger anzutreffende vereinfachte Genehmigungsverfahren mit einem reduzierten Prüfungsumfang und das klassische Genehmigungsverfahren.
Eine Baugenehmigung hat eine feststellende und eine rechtsgestaltende Wirkung. Zunächst stellt sie fest, dass der Bauherr einen baurechtlichen Anspruch hat, da das Bauvorhaben den im Genehmigungsverfahren zu prüfenden öffentlich-rechtlichen Vorschriften nicht entgegensteht. Zugleich hat die Baugenehmigung eine rechtsgestaltende Wirkung, indem sie das Bauverbot konstitutiv aufhebt und den Bau zur Ausführung freigibt ("Baufreigabe"). Soweit die Feststellungswirkung der Baugenehmigung reicht, kommt dieser durch Bestandskraft eine Legalisierungswirkung zu, die dem Bauherrn Rechtssicherheit gegenüber Dritten aber auch gegenüber Behörden und Gerichten gibt.
Hinweis:
Da die Baugenehmigung sachbezogen ist, haften die Wirkungen an dem betroffenen Grundstück. Dies hat zur Folge, dass sich auch Rechtsnachfolger – Käufer, Erben – auf die jeweiligen Wirkungen der Baugenehmigung berufen können.
Die besondere Bedeutung einer eingetretenen Legalisierungswirkung zeigt sich insb. dann, wenn es zuâEUR™späteren Rechtsänderungen kommen sollte. Wäre das Bauvorhaben nach aktueller Rechtslage unzulässig oder müssten zusätzliche Anforderungen erfüllt werden, setzt sich die Baugenehmigung mit ihrer feststellenden Wirkung durch, solange das Bauvorhaben bei seiner tatsächlichen Errichtung nicht derart von der Genehmigung abweicht, dass ein aliud anzunehmen ist (vgl. OVG NRW, Beschl. v. 14.1.2019 – 10 A 1524/17, juris).
Zur Wirkung eines Verzichts:
Eine einmal erteilte Baugenehmigung verliert ihre Legalisierungswirkung dann, wenn der Begünstigte hierauf ausdrücklich verzichtet oder ein entsprechender dauerhafter und endgültiger Verzichtswille ausâEUR™den Umständen unmissverständlich und unzweifelhaft zum Ausdruck kommt. Letzteres kann bei einerâEUR™(zeitweiligen) Unterbrechung der genehmigten landwirtschaftlichen Nutzung der Fall sein, sofern die Verkehrsauffassung mit einer Wiederaufnahme dieser Nutzung nicht mehr rechnet (VGH Baden-Württemberg, Urt. v. 19.10.2009 – 5 S 347/09, juris).
2. Der Bauvorbescheid
Vor Einreichung des Bauantrags ist auf Antrag (Bauvoranfrage) des Bauherrn zu einzelnen Fragen des Bauvorhabens ein Vorbescheid zu erteilen (§ 75 MBO). Mit dem Bauvorbescheid entscheidet die zuständige Bauaufsichtsbehörde – zeitlich befristet – verbindlich über Teilfragen, die Gegenstand einer Genehmigungsentscheidung sein können. Dies betrifft häufig die bauplanungsrechtliche Zulässigkeit des Vorhabens. Der Vorbescheid ist wie die Baugenehmigung ein feststellender Verwaltungsakt, der allerdings noch keine gestaltende Wirkung aufweist. Auf die Erteilung eines Bauvorbescheids hat der Antragsteller einen gebundenen Anspruch, den er mittels Verpflichtungsklage (§ 42 Abs. 1 Var. 2 VwGO) einklagen kann. Aufgrund seiner bindenden Wirkung kann der Bauvorbescheid auch durch Dritte angefochten werden.
Hinweis:
Ein Vorbescheid stellt keine bauaufsichtliche Zulassung nach § 212a Abs. 1 BauGB dar, da der Vorbescheid noch keine Bauausführung zulässt. Daher entfällt auch nicht die aufschiebende Wirkung einer Drittanfechtungsklage. Ein dennoch gestellter Eilantrag ist bereits unstatthaft (Bay. VGH, Beschl. v. 12.11.2018 – 2 CS 18.2165, juris).
3. Der Anspruch auf Erteilung einer Baugenehmigung
Als präventives Verbot mit Erlaubnisvorbehalt schränkt die Baugenehmigungspflicht die aus Art. 14 GG folgende Baufreiheit formal ein. Denn stehen öffentlich-rechtliche Vorschriften dem genehmigungspflichtigen Vorhaben nicht entgegen, so hat der Antragsteller einen gebundenen Anspruch auf Erteilung der Baugenehmigung (vgl. § 72 MBO). Dieser Anspruch wandelt sich erst dann in einen Anspruch auf ermessensfehlerfreie Entscheidung, wenn mit der Baugenehmigung eine Ausnahme (§ 31âEUR™Abs. 1 BauGB) oder ein Dispens (§ 31 Abs. 2 BauGB) begehrt wird.
a) Tatbestandliche Voraussetzungen für den Erlass einer Baugenehmigung
aa) Genehmigungspflichtiges Vorhaben
Das Vorhaben, welches genehmigt werden soll, muss zunächst genehmigungspflichtig sein. Grundsätzlich bedürfen die Errichtung, Änderung und Nutzungsänderung von Anlagen einer Baugenehmigung (vgl. § 59 MBO). Bestimmte Bauvorhaben sind von Gesetzeswegen genehmigungsfrei oder lediglich anzeigepflichtig (vgl. §§ 60–62, 76 und 77 MBO). In einer solchen Situation muss der Bauherr zwar erforderliche Unterlagen (z.B. Baupläne) einreichen, darf mit dem Bauvorhaben allerdings nach einer kurzen Frist – häufig ein Monat – nach Eingang der Un...