Nichts geändert gegenüber der alten Vertikal-GVO hat sich an den „Begriffsbestimmungen”, die in Art. 1 der neuen Vertikal-GVO dargestellt werden.
a) Vertikale Vereinbarung
Unter „vertikale Vereinbarung” versteht man
Zitat
„eine Vereinbarung zwischen zwei Unternehmen, die für die Zwecke des Franchise-Vertrags jeweils auf einer anderen Stufe oder Vertriebskette tätig sind und die die Bedingungen betrifft, zu denen die beteiligten Unternehmen (Franchise-Geber/Franchise-Nehmer) Waren oder Dienstleistungen beziehen, verkaufen oder weiterverkaufen dürfen.”
b) Vertikale Beschränkung
Als „vertikale Beschränkung” wird jede Wettbewerbsbeschränkung angesehen, die Art. 101 AEUV unterfällt.
c) Wettbewerber
„Wettbewerber” ist jeder tatsächliche oder potenzielle Wettbewerber, d.h. derjenige und damit auch Franchise-Nehmer, die zum Franchise-Geber bei einem dualen Vertrieb auf demselben relevanten Markt tätig sind.
d) Wettbewerbsverbot
„Wettbewerbsverbot” ist eine unmittelbare oder mittelbare Verpflichtung, die den Franchise-Nehmer veranlasst, keine Waren oder Dienstleistungen herzustellen, zu beziehen, zu verkaufen oder weiterzuverkaufen, die mit den Vertragswaren oder -dienstleistungen des Franchise-Systems im Wettbewerb stehen.
e) Geistiges Eigentum
Die „Rechte des geistigen Eigentums” umfassen wie bisher gewerbliche Schutzrechte, Know-how, Urheberrechte und verwandte Schutzrechte.
f) Know-how
„Know-how” ist eine Gesamtheit nicht patentgeschützter praktischer Kenntnisse, die der Franchise-Geber durch Erfahrung oder Erprobung gewonnen hat und die geheim, wesentlich und identifiziert sind.
- „Geheim” bedeutet, dass das Know-how nicht allgemein bekannt oder leicht zugänglich ist.
- „Wesentlich” bedeutet, dass das Know-how für den Franchise-Nehmer bei der Verwendung, dem Verkauf oder dem Weiterverkauf der Vertragswaren des Franchise-Systems oder der Vertragsdienstleistungen bedeutsam und nützlich ist.
- „Identifiziert” bedeutet, dass das Know-how so umfassend beschrieben ist, dass überprüft werden kann, ob die Merkmale „geheim” und „wesentlich” erfüllt sind.
Diese Definition des Know-hows eines Franchise-Systems fand sich bereits in der EU-Gruppenfreistellungsverordnung für Franchise-Vereinbarungen vom 30.11.1988 (EU-VO 4087/88) und war bislang die einzige Definition für das Know-how eines Franchise-Systems (s. dazu Flohr in: Liebscher/Flohr/Petsche, a.a.O., § 14 Rn 31 ff.). Nunmehr werden die Regelungen durch das Gesetz zum Schutz von Geschäftsgeheimnissen ergänzt.
Dadurch, dass auch in der neuen Gruppenfreistellungsverordnung wieder darauf abgestellt wird, dass das Know-how so umfassend beschrieben sein muss, dass jederzeit überprüft werden kann, ob die Merkmale „geheim” und „wesentlich” erfüllt sind, wird erneut unterstrichen, welche Bedeutung das Know-how für ein jedes Franchise-System hat.
In Verbindung mit den Regelungen des „Gesetzes zum Schutz von Geschäftsgeheimnissen” muss also jedes Franchise-System darauf achten, dass der geheime Charakter des Know-hows gewahrt wird und insb. angemessene Geheimhaltungsmaßnahmen treffen (s. dazu aus der Rechtsprechung OLG Hamm, Urt. v. 8.2.2021 – I-18 U 59/20 ZVertriebsR 2021, 193).
Insofern ergänzen die Regelungen des Gesetzes zum Schutz von Geschäftsgeheimnissen auch die Regelungen der EU-Gruppenfreistellungsverordnung für vertikale Vertriebsbindungen, soweit es um die Definition des Know-how-Begriffs für ein Franchise-System geht.
g) Aktiver Verkauf
Als „aktiver Verkauf” wird die gezielte Ansprache von Kunden durch Besuche, Schreiben, E-Mails, Anrufe oder sonstigen Form der direkten Kommunikation oder durch gezielte Werbung und Absatzförderung verstanden. Dies entspricht auch der bisherigen Definition des aktiven Verkaufs.
Ein solcher aktiver Verkauf kann jedem Franchise-Nehmer außerhalb seines Vertragsgebiets untersagt werden. Auch insofern bringt die neue EU-Gruppenfreistellungsverordnung für vertikale Vertriebsbindungen keine Neuerung gegenüber der bis zum 31.5.2022 geltenden Vertikal-GVO.
h) Passiver Verkauf
Dies gilt entsprechender Weise auch für den „passiven Verkauf”. Dabei handelt es sich um einen auf unaufgeforderte Anfragen einzelner Kunden zurückgehender Verkauf. Damit sind auch Anfragen von Kunden außerhalb des geschützten Vertragsgebiets eines Franchise-Nehmers gemeint. Ein solcher passiver Verkauf kann nach wie vor i.R.d. Franchise-Vertrags untersagt werden. Die neue Vertikal-GVO enthält daher auch insoweit keine Neuerungen gegenüber der bisherigen Vertikal-GVO auch im Hinblick auf die inhaltliche Gestaltung des Franchise-Vertrags.