a) Unveränderte Struktur der Vertikal-GVO
Wer nun geglaubt hat, dass die seit dem 1.6.2022 geltende EU-Gruppenfreistellungsverordnung für vertikale Vertriebsbindungen (EU-VO 720/2022) wesentliche Änderungen für Franchise-Verträge mit sich bringt, sieht sich „enttäuscht”.
Bei Franchise-Verträgen bleibt dem Grunde nach „alles beim Alten”. Artikel 2 III Vertikal-GVO stellt klar, dass Franchise-Verträge – wie bisher – grds. auch durch die Vertikal-GVO vom Kartellverbot des Art. 101 AEUV freigestellt sein können. Dies betrifft insb. die eingeräumten Franchise-Rechte an Schutzrechten, insb. Marken sowie des geheimen Know-hows des Franchise-Systems.
Insofern bleibt es für Franchise-Verträge bereits bei der vom EuGH in seinem Urt. v. 21.1.1986 (Rs. 161/84 – Pronuptia) getroffenen Feststellung, dass „unerlässliche” Regelungen vertragsimmanent und daher kartellrechtlich unbedenklich sind, weil das Vertriebsmodell des Franchising einheitliche Produkte und ein einheitliches Auftreten am Markt voraussetzt (so auch ausdrücklich: Rohrssen, a.a.O., 296 unter Ziff. 5.; s.a. Uhlig/Walzel ZVertriebsR 2022, 80 [151, 274]).
b) Inhaltliche Änderungen
Soweit es um inhaltliche Änderungen gegenüber der bis zum 30.6.2022 geltenden Vertikal-GVO (EU-VO 330/2010) geht, halten diese sich in der neuen Vertikal-GVO in Grenzen.
Betroffen davon sind:
- Wettbewerbsverbote
- Alleinvertrieb
- Selektiver Vertrieb
- Freier Vertrieb
- Online-Vertrieb/Handelsplattformen
- Dualer Vertrieb
Dabei sind für Franchise-Systeme insb. die Änderungen zum Informationsaustausch beim Dualen Vertrieb, Online-Vertrieb und beim Wettbewerbsverbot von grundsätzlicher Bedeutung.
Zwar könnte man meinen, ein Franchise-Vertrag sei trotz Art. 2 III Vertikal-GVO als eine Vereinbarung zwischen Wettbewerbern Franchise-Geber/Franchise-Nehmer nicht von der Vertikal-GVO freigestellt, doch liegen bei Franchise-Systemen grds. auch die Voraussetzungen von Art. 2 IV 2 Vertikal-GVO vor, da Franchise-Geber i.d.R. zumindest in einem „flagship-store” auch die Produkte des Franchise-Systems absetzen, sodass:
- ein dualer Vertrieb vorliegt, d.h. neben dem Franchise-Nehmer auch der Franchise-Geber die Produkte/Dienstleistungen gegenüber Endverbrauchern erbringt (z.B. Online-/eigene Shops) und
- der Marktanteil auf dem Einzelhandelsmarkt nicht mehr als 30 % beträgt.
Insofern ergibt sich auch insoweit keine Änderung gegenüber der bisherigen Vertikal-GVO.