a) Musikinstrumentenhersteller-Kartell
Im sog. Musikinstrumentenhersteller-Kartell (BKartA, Pressemitteilung vom 5.8.2021), das Gegenstand eines Verfahrens vor dem Bundeskartellamt war, waren so klangvolle Namen wie Yamaha, Music Europe, Defender Musical Instrument und die deutsche Tochter von Roland genauso beteiligt, wie das Musikhaus Thomann und der in Köln ansässige MUSIC STORE.
Das Bundeskartellamt warf den drei Instrumentenbauern und den zwei Händlern eine vertikale Preisbindung vor, wobei die Abstimmungen zu Verkaufspreisen in einem Zeitraum zwischen 2005 und 2018 erfolgten. Die Musikhändler Thomann und MUSIC STORE hatten darüber hinaus horizontale Absprachen in mehreren Fällen getroffen. Insgesamt wurden die Unternehmen und deren verantwortlich handelnden Mitarbeiter mit Bußgeldern i.H.v. insgesamt 21 Mio. EUR belegt.
Die vorgenannten Hersteller von Musikinstrumenten gaben Mindestpreise für ihre Produkte vor – etwa für Keyboards, Klaviere, Synthesizer und Gitarren. Wenn MUSIC STORE oder Thomann diese Preise unterschritten, meldeten sich die Hersteller und forderten die Verkäufer auf, die Verkaufspreise an die vorgegebenen Mindestpreise anzupassen.
Yamaha und Roland setzten sogar teilweise eine sog. Price-Tracking-Software ein, um bei MUSIC STORE und Thomann zu überprüfen, ob die vorgegebenen Mindestpreise auch eingehalten wurden. Hielten sich die Händler nicht an die Vorgaben, wurde ihnen von den Musikinstrumentenherstellern gedroht, einen Lieferstopp zu verhängen oder die gewährten Konditionen zu kürzen. Insofern hat das Bundeskartellamt zu Recht in diesen Absprachen, d.h. in der unzulässigen Vorgabe eines Mindestpreises, eine vertikale Preisbindung gesehen.
Es erstaunt, dass die Unternehmen zu einer solchen vertikalen Preisbindung „gegriffen haben”, obwohl nicht erst seit dem Inkrafttreten der EU-Gruppenfreistellungsverordnung für vertikale Vertriebsbindungen (EU-VO 330/2010) allgemein bekannt war bzw. ist, dass zwar Höchstpreise, aber nicht Mindestpreise – und dies erst recht nicht als verbindliche Verkaufspreise – vorgegeben werden dürfen.
Erschwerend kam hinzu, dass hier auch Price-Tracking-Software eingesetzt wurde, um die Händler insgesamt und deren Preispolitik zu überwachen und zu reagieren, wenn die geforderten Mindestpreise unterschritten wurden. Gleichzeitig trafen aber auch die Händler Thomann und MUSIC STORE horizontale Absprachen: Diese haben sich bei Preiserhöhungen für Musikinstrumente und Zubehör abgesprochen und dies über einen längeren Zeitraum. An diesen Grundsätzen ändert die neue Vertikal-GVO nichts. Solche Preisabsprachen waren und sind kartellrechtswidrig.
b) Preisabsprachen bei Franchise-Systemen
Auch bei Franchise-Systemen sind solche kartellrechtswidrigen vertikalen Preisabsprachen nach wie vor festzustellen – trotz des Verbots in allen vorangegangenen Gruppenfreistellungsverordnungen und der Praxis des BKartA. Daran ändert sich auch durch die neue Vertikal-GVO (EU-VO 720/2022) nichts.
aa) Kartellrechtswidrige Absprachen
Gleichwohl versuchen Franchise-Geber immer wieder den Franchise-Nehmern verbindliche Mindest-Verkaufspreise für die in ihren Franchise-Outlets abzusetzenden Produkte vorzugeben bzw. drohen mit einem Lieferstopp oder der Kürzung/Streichung von Boni/Skonti/Rückvergütungen, wenn die vorgegebenen Mindestpreise unterschritten werden. Diese ist und bleibt auch unter der Geltung der neuen Vertikal-GVO kartellrechtswidrig.
Entscheidend ist damit die Beachtung der Hardcore-Restriction, also der Kernbeschränkungen, die wiederum in Art. 4 Vertikal-GVO (wie in der bisherigen) dargestellt werden.
Insofern wird es als eine Verletzung der Kernbeschränkungen angesehen, wenn
- der Franchise-Nehmer in seiner Freiheit, seine Verkaufspreise festzusetzen, beschränkt wird;
- Mindest- oder Niedrigpreise festgesetzt werden.
Zulässig ist es aber weiterhin, dem Franchise-Nehmer Höchstpreisvorgaben zu machen oder unverbindliche Verkaufspreisempfehlungen auszusprechen, soweit auf den Franchise-Nehmer kein Druck ausgeübt wird.
Nach der Praxis des Bundeskartellamts liegt ein solcher Druck aber u.a. dann vor, wenn eine permanente Preiskontrolle des Franchise-Nehmers erfolgt und diesem die Streichung von Boni, Skonti etc. angedroht wird, wenn dieser nicht die vom Franchise-Geber vorgegebenen Preise beim Verkauf der Produkte gegenüber seinen Endverbrauchern berechnet. Auch insofern hat sich also durch die neue Vertikal-GVO nichts geändert.
Allerdings akzeptiert es das Bundeskartellamt, wenn dem Franchise-Nehmer sog. Preiskalkulationen oder Kalkulationshilfen an die Hand gegeben werden (vgl. Tätigkeitsbericht des BKartA 1987/88 – BT-Drucks 11/4611; auszugsweise abgedr. bei Flohr Franchise-Handbuch, a.a.O., Berlin 1994-1996, Gruppe I/V, 2; allgemein zum insoweit gebotenen Informationsaustausch Schroeder WuW 2009, 718; Wiemer WuW 2009, 750).
Dabei ist die APOLLO-Optik-Entscheidung des BGH vom 20.5.2003 (KZR 19/02 WuW DE-R 170; dazu Flohr DStR 2004, 95, 98) insb. für „Misch-Franchise-Systeme” von Bedeutung, d.h. Franchise-Systemen, bei denen Waren oder Dienstleistungen sowohl über Franchise-Outlets als auch eigene Filialen...