Aber auch kartellrechtswidrige horizontale Absprachen sind nach wie vor bei Franchise-Systemen festzustellen.
So dürfen ERFA-Tagungen von Franchise-Systemen für einen an sich gewünschten Meinungs- und Informationsaustausch zwischen Franchise-Nehmern nicht dazu genutzt werden, untereinander horizontale Preisabsprachen zu treffen, indem Franchise-Nehmer, wenn ihre Franchise-Outlets in angrenzenden Vertragsgebieten liegen, die Verkaufspreise für die abzusetzenden Produkte oder zu erbringenden Dienstleistungen einheitlich festlegen, um einen Wettbewerb zwischen ihnen auszuschließen.
Dies gilt auch dann, wenn sich z.B. Franchise-Nehmer von Nachhilfe-Systemen aus angrenzenden Bezirken jeweils vor Beginn eines jeden Schuljahres im Hinblick auf die Preise der aufgrund ausgetauschter Informationen angebotenen Nachhilfeleistungen abstimmen bzw. bei Lehrgängen, die während der Ferienzeit durchgeführt wurden, auch die Preise einvernehmlich festlegen, um so zu verhindern, dass diese sich gerade in der Ferienzeit, wenn es um Nachprüfungen geht, gegenseitig die Kunden mit unterschiedlicher Preispolitik abspenstig machten.
Dabei muss auch berücksichtigt werden, dass Geldbußen wegen kartellrechtswidriger vertikaler oder horizontaler Absprachen vom Bundeskartellamt nicht nur gegenüber dem Unternehmen festgesetzt werden können, sondern auch gegenüber den verantwortlich handelnden Personen, also den Geschäftsführern. Ist eine ERFA-Tagung eines Franchise-Systems die Basis dafür, dass horizontale Absprachen zwischen den Franchise-Nehmern getroffen werden können, so kann die Geldbuße auch gegenüber dem Franchise-Geber festgesetzt werden, da dieser die Gelegenheit zu kartellrechtswidrigen Absprachen geboten hat.
Dies gilt auch für Verbandstagungen, wenn dort Franchise-Nehmer von verschiedenen Systemen anwesend sind und untereinander die Preise absprechen. Hier hat das Bundeskartellamt schon bei Verbandstagungen Hausdurchsuchungen durchgeführt, die Tischvorlagen beschlagnahmt und anschließend auch wegen kartellrechtswidriger Absprachen Geldbußen gegen die Verbandsgeschäftsführer festgesetzt.
Diese Grundsätze werden durch die neue Vertikal-GVO unterstrichen. Werden Informationen ausgetauscht, die für die Führung des Franchise-Systems nicht erforderlich sind, so kann dieser Informationsaustausch schon allein als solcher kartellrechtswidrig sein. Allerdings kann zum einen eine Einzelfreistellung gem. Art. 101 III AEUV geboten sein oder es werden die Horizontal-Leitlinien der EU beachtet (s. dazu ausführlich Metzlaff/Müller in: Liebscher/Flohr/Petsche/Metzlaff, Handbuch der EU-Gruppenfreistellungsverordnungen, 3. Aufl. 2023, Anhang Art. 101 AEUV).
Diese Horizontal-Leitlinien sind auch zu beachten, wenn es um den Austausch „nicht erforderlicher Informationen” innerhalb eines Franchise-Systems geht, es sei denn, diese „Informationen sind unerlässlich” i.S.d. EuGH-Entscheidung vom 28.1.1986.
Von RA Prof. Dr. Eckhard Flohr, Düsseldorf/Kitzbühel
ZAP F. 6, S. 1163–1174