1. Einziehung (§§ 73 ff. StGB)
a) Allgemeines
Durch das "Gesetz zur Reform der strafrechtlichen Vermögensabschöpfung" v. 13.4.2017 (BGBl I 872) sind mit Wirkung ab 1.7.2017 die materiellen und verfahrensrechtlichen Vorschriften zur "Einziehung" umfassend umgestaltet worden; der "Verfall" ist vollständig entfallen (zu alledem eingehend Deutscher StRR 9/2017, 4 und ZAP F. 21, 301; Köhler NStZ 2017, 497; Köhler/Burkhard NStZ 2017, 665). Es ist inzwischen deutlich zu erkennen, dass die Neuregelung in der Praxis angekommen ist. Denn insb. die auf der Homepage der BGH veröffentlichten Entscheidungen zeigen, dass sich die LG mit den Fragen auseinandersetzen, häufig aber Fehler machen, die dann zur Teilaufhebung und Zurückverweisung führen, wenn der BGH nicht die ihm nach § 354 Abs. 1a StPO in Teilbereichen grds. mögliche eigene Sachentscheidung trifft (Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 65. Aufl. 2022, § 354 Rn 26e). Die mit den §§ 73 ff. StGB zusammenhängenden Fragen sind daher für den Strafverteidiger von erheblicher Bedeutung. Die dazu inzwischen vorliegende Rechtsprechung kann aber wegen des Umfangs hier nicht im Einzelnen vorgestellt werden. Insoweit wird auf die Rechtsprechungsübersichten von Deutscher in StRR 2/2019, 5, StRR 3/2019, 4 und StRR 12/2020, 6, zuletzt StRR 11/2022, 5 und auf Bittmann NStZ 2020, 517 und 648 sowie Meißner StraFo 2021, 266 verwiesen.
Hinweis:
Der Verteidiger muss auch den gebührenrechtlichen Aspekt der mit den §§ 73 ff. StGB zusammenhängenden Fragen im Auge behalten. Denn im Zweifel entstehen für seine Tätigkeit eine oder mehrere zusätzliche Verfahrensgebühren nach Nr. 4142 VV RVG (vgl. dazu eingehend Burhoff in: Burhoff/Volpert, RVG Straf- und Bußgeldsachen, 6. Aufl. 2021, Kommentierung zu Nr. 4142 VV, Burhoff RVGreport 2019, 82). Da es sich bei der Gebühr Nr. 4142 VV RVG um eine Verfahrensgebühr handelt, für die Vorbem. 4 Abs. 2 VV RVG gilt, ist der vom Verteidiger für das Entstehen der Gebühr zu erbringende Aufwand nicht hoch. Erfasst werden von der zusätzlichen Verfahrensgebühr Nr. 4142 VV RVG nämlich sämtliche Tätigkeiten, die der Rechtsanwalt im Hinblick auf die Einziehung erbringt und die zumindest auch einen Bezug zur Einziehung haben. Das ist auch (schon) bei Erhebung der (nur) allgemeinen Sachrüge der Fall, die dem Revisionsgericht das gesamte Urteil einschließlich der Einziehungsentscheidung zur Überprüfung unterbreitet (BGH RVGreport 2019, 103 = NStZ-RR 2019, 127). Das sollte man als Verteidiger nicht übersehen, denn in der Problematik kann eine "Menge Geld stecken".
b) Erlangte Taterträge/erlangter Wert
Etwas "erlangt" i.S.d. Vorschriften über die Einziehung hat ein Täter oder Teilnehmer "durch" die Tat, wenn ihm ein Vermögenswert unmittelbar aus der Verwirklichung des Tatbestands in irgendeiner Phase des Tatablaufs derart zugeflossen ist, dass er dessen faktischer Verfügungsgewalt unterliegt, insb. also die Tatbeute. Auf zivilrechtliche Besitz- oder Eigentumsverhältnisse kommt es dabei nicht an, weil es sich bei dem Erlangen um einen tatsächlichen Vorgang handelt (BGH NStZ 2021, 668 m. Anm. Bittmann). "Für die Tat" i.S.v. § 73 Abs. 1 Alt. 2 StGB, § 73c S. 1 StGB sind Vorteile erlangt, die einem Beteiligten als Gegenleistung für sein rechtswidriges Handeln gewährt werden, jedoch nicht auf der Tatbestandsverwirklichung beruhen (BGH NStZ-RR 2021, 336 [Ls.] = StRR 11/2021, 19 [Gehm]).
In dem Zusammenhang ist hinzuweisen auf folgende Entscheidungen (w.N. bei Deutscher StRR 11/2022, 6 ff.):
Im BGH, Beschl. v. 13.1.2022 (1 StR 481/21, NStZ-RR 2022, 135-136 = wistra 2022, 246 = StRR 6/2022, 28) hat der BGH zur Einziehung bei gemeinschaftlich begangener gewerbsmäßiger Steuerhehlerei Stellung genommen. Nach dem Sachverhalt bestellte die Angeklagte als Mitglied einer auch aus dem X und Y bestehenden Gruppierung im Zeitraum Mai 2015 bis Juni 2016 bei polnischen Verkäufern in 74âEUR™Fällen unversteuerte Zigaretten. Dabei bestimmte sie nicht nur die Zigarettenmarke und die Anzahl der Zigaretten, sondern koordinierte auch die Übergabe der Ware an X und Y bzw. an beauftragte Helfer. Die Zigaretten wurden sodann mit einem Gewinn von mind. 6 EUR pro Stange weiterveräußert. Bis Mai 2016 führte die Angeklagte die Bücher der Gruppierung und war für die Bezahlung der Festgehälter der Helfer zuständig. Mit X und Y teilte sie sich den Gewinn. Die Angeklagte wurde vom LG wegen gewerbsmäßiger Steuerhehlerei in 74 Fällen verurteilt, da sie sich zusammen mit X und Y die Zigaretten verschaffte (§ 374 Abs. 1 Var. 1 AO, § 25 Abs. 2 StGB). Des Weiteren wurde die Einziehung des Wertes der veräußerten Zigaretten angeordnet, wobei die Angeklagte Gesamtschuldnerin w...