Zusammenfassung
Der Begriff „Berliner Testament” ist im allgemeinen Sprachgebrauch i.d.R. auch bei Nichtjuristen geläufig und bekannt. Bei Berliner Testamenten, die durch Eheleute ohne fundierte juristische Beratung errichtet werden, kommt es in der Praxis häufig dazu, dass diese Testamente zu Streit führen und auslegungsbedürftig sind. Dies zeigen auch die aktuellen Entscheidungen aus der Rechtsprechung der letzten Monate, die es in der Beratungspraxis zu berücksichtigen gilt.
I. Gegenseitige Erbeneinsetzung
Ein gemeinschaftliches Testament liegt vor, wenn Ehegatten oder eingetragene Lebenspartner ihren letzten Willen gemeinschaftlich verfügen (§ 2265 BGB). Die Ehegatten können sich im Testament gegenseitig als Erben einsetzen und bestimmen, dass nach dem Tod des Überlebenden der beiderseitige Nachlass an einen Dritten fallen soll. Im Zweifel ist hier anzunehmen, dass der Dritte für den gesamten Nachlass als Erbe des zuletzt versterbenden Ehegatten eingesetzt ist (vgl. § 2269 Abs. 1 BGB). Bei der Einsetzung der Ehegatten als Erben und des Dritten als Schlusserben haben die Ehegatten die folgenden Gestaltungsmöglichkeiten:
- Einheitslösung (überlebender Ehegatte wird Vollerbe),
- Trennungslösung (überlebender Ehegatte wird Vorerbe),
- Nießbrauchslösung (überlebender Ehegatte erhält den Nießbrauch am Nachlass).
1. Einheitslösung
Die häufigste Form des gemeinschaftlichen Testaments ist das sog. Berliner Testament, in dem sich die Ehegatten im Wege der Einheitslösung für den ersten Todesfall gegenseitig zu alleinigen Vollerben einsetzen. Nach der Einheitslösung geht der Nachlass des Erstversterbenden in das Vermögen des überlebenden Ehegatten über, bevor der gemeinsame Nachlass nach dem Tod des Längstlebenden auf den bzw. die Schlusserben übergeht, i.d.R. die gemeinsamen leiblichen Kinder der Ehegatten. Der Schlusserbe ist ausschließlich der Erbe des überlebenden Ehegatten. Mit dem Berliner Testament wird konsequent die Vorstellung eines gemeinsamen Ehegattenvermögens in die Wirklichkeit umgesetzt, wonach der überlebende Ehegatte als unbeschränkter Vollerbe (im Gegensatz zum Vorerben oder Nießbrauchsberechtigten) über das gemeinsame Vermögen verfügen kann, bevor es auf die Schlusserben übergeht und diese in den Genuss des verbleibenden Nachlasses des Letztversterbenden gelangen, der wirtschaftlich dann auch den Nachlass des Erstversterbenden, soweit nicht verbraucht, umfasst (Damrau/Tanck/Klessinger, Praxiskommentar Erbrecht, § 2269 BGB Rn 10). Die Schlusserbeneinsetzung bzw. die Bestimmung von Ersatzerben sind bei der Errichtung eines gemeinschaftlichen Testaments nicht zwingend. Eine entsprechende Anordnung sollte aber getroffen werden, damit keine Zweifel im Hinblick auf den gemeinsamen Willen der Erblasser entstehen können.
Die Errichtung des Berliner Testaments kann auch in drei verschiedenen Urkunden in zeitlichem Abstand erfolgen, wie eine Entscheidung des Oberlandesgerichts Brandenburg jüngst zeigt:
a) Errichtung eines Berliner Testaments in drei Urkunden
aa) Sachverhalt (OLG Brandenburg BeckRS 2023, 1627)
Die Eheleute errichteten im Jahre 1993 ein Testament, in dem sie verfügten:
Zitat
„An unsere Kinder, N ... + A ... T ... ! Ihr Lieben, sollte uns etwas zustoßen möchten Eure Eltern verfügen, dass Alles, was wir besitzen, Ihr Euch gütlich teilt. Haltet zusammen, helft euch und lasst nie Neid zwischen Euch aufkommen.”
Daraufhin errichteten sowohl die Ehefrau als auch der Ehemann im Jahre 2002 im Abstand von nur wenigen Tagen jeweils ein handschriftliches Testament und verfügten:
Zitat
„Ich, U ... T ... geb. D ... geb. Datum ... 1941, verfüge als alleinigen Erben meinen Ehemann H ... T ..., geb. Datum ... 1941.”
„Ich, H ... T ..., geb. Datum ... 1941 verfüge als alleinigen Erben meine Ehefrau U ... T ..., geb. Datum ... 1941.”
Im Jahre 2014 ergänzten die Eheleute ihr Testament wie folgt:
Zitat
„Nachtrag zum Testament! Hiermit verfügen wir: H ... + U ... T ... das unser Besitz erst nach unser „beiden” Ableben an die Erben, A ... + N ... geteilt wird. Vor dieser Zeit wird kein Pflichtteil ausgezahlt. Ausnahme nur im Notfall und dann über einen Notar.”
Die Erblasserin verstarb im Jahre 2022. Der überlebende Ehegatte beantragte vor dem zuständigen Nachlassgericht als Vollerbe einen Alleinerbschein. Die gemeinsame Tochter der Eheleute widersprach der Antragstellung mit der Begründung, dass der Antragsteller lediglich Vorerbe und zusammen mit ihr Nacherbe sei. Mit dem Nachtrag aus 2014 sei Vor- und Nacherbschaft angeordnet worden. Das zuständige Nachlassgericht gab dem Antrag des überlebenden Ehegatten statt und erteilte einen Alleinerbschein. Hiergegen wurde Beschwerde eingelegt.
bb) Entscheidung
Die Beschwerde blieb erfolglos. Die gegenseitige Erbeinsetzung und die Schlusserbeneinsetzung durch die Ehegatten müssen nicht zwingend in einer Urkunde erfolgen; möglich ist es auch, diese Regelungen in verschiedenen Urkunden in zeitlichem Abstand zu treffen, sofern der Wille der Testierenden dahin geht, nunmehr beide Verfügungen als eine Einheit gelten zu lassen. Im Weiteren wurde durch die Auslegung des Testaments festgestellt, dass die Eheleute die Einheitslösung verfügt haben. Die Eheleute haben eine Teilung ihres Vermögen...