a) Führer eines Fahrzeugs
Das LG Oldenburg hatte in seinem Beschl. v. 7.11.2022 (4 Qs 368/22, VRR 1/2023, 20) über den Fahrerlaubnisentzug für einen betrunkenen Sozius auf einem E-Scooter zu befinden. In dem Fall waren zwei Personen auf einem E-Scooter gefahren. Der absolut fahruntüchtige Sozius hatte sich mit am Lenker festgehalten. Das LG hat eine Trunkenheitsfahrt nach § 316 StGB bejaht. Denn Führer eines Fahrzeugs sei nicht nur derjenige, der alle für die Fortbewegung des Fahrzeugs erforderlichen technischen Funktionen ausübe, sondern auch, wer nur einzelne dieser Tätigkeiten vornehme, jedenfalls solange es sich dabei um solche handele, ohne die eine zielgerichtete Fortbewegung des Fahrzeugs im Verkehr unmöglich wäre, wie etwa das Bremsen oder Lenken. Nach Auffassung des LG stellt allein das Festhalten des Lenkers eines E-Scooters während der Fahrt durch einen Sozius – auch ohne Lenkbewegungen – ein Lenken des Fahrzeugs und damit das Führen eines Fahrzeugs i.S.d. § 316 StGB dar. Denn das dadurch bewirkte In-der-Spur-Halten des E-Scooters sei ein genuiner Lenkvorgang, weil ein kontrolliertes Fortbewegen des E-Scooters durch den Verkehrsraum, wenn beide Personen auf dem Roller sich am Lenker festhielten, nur durch ein Zusammenwirken beider Fahrer möglich sei.
b) Fahrtüchtigkeit
Die Trunkenheitsfahrt nach § 316 StGB spielt in der Praxis des Verkehrsstrafrechts eine große Rolle. Dabei steht, v.a. wenn es um die sog. relative Fahruntüchtigkeit geht, die Frage im Vordergrund, ob bei einer Verurteilung ausreichende tatsächliche Feststellungen hinsichtlich der Fahruntüchtigkeit getroffen worden sind. Damit hat sich das BayObLG vor Kurzem noch einmal auseinandergesetzt (BayObLG, Beschl. v. 13.2.2023 – 203 StRR 455/22, DAR 2023, 397). Das BayObLG geht davon aus, dass, wenn dem Tatrichter mangels (verwertbarer) Blutprobe, verlässlicher Erkenntnisse über das Trinkgeschehen oder „beweissicherer” Atemtests nicht möglich ist, eine annähernd bestimmte Alkoholkonzentration festzustellen, die Annahme von alkoholbedingter Fahrunsicherheit gleichwohl nicht ausscheide. Eine alkoholbedingte relative Fahruntüchtigkeit könne auch ohne die Feststellung oder die Berechnung einer Blutalkoholkonzentration nachgewiesen werden. Des Nachweises einer bestimmten Mindest-Atemalkoholkonzentration oder einer Mindest-Blutalkoholkonzentration bedürfe es hingegen nicht; die Verurteilung des Angeklagten nach § 316 StGB setzt nicht den sicheren Nachweis einer Blutalkoholkonzentration (BAK) von mind. 0,3 ‰ voraus. Eine BAK von 0,42 ‰ reicht nach Auffassung des LG Stralsund ohne Vorliegen von Alkohol-Ausfallerscheinungen in Gestalt von konkreten Fahrfehlern nicht aus, von Fahruntüchtigkeit auszugehen (LG Stralsund, Beschl. v. 7.10.2022 – 26 Qs 195/22).
Wird vom Angeklagten ein Nachtrunk behauptet, hat das Gericht – vor der Rückrechnung – zunächst zu prüfen, ob die Nachtrunkbehauptung als glaubhaft zu bewerten ist. Kann die Behauptung eines Nachtrunks nicht mit der erforderlichen Sicherheit widerlegt werden, so muss es klären, welche Alkoholmenge der Angeklagte maximal nach der Tat zu sich genommen haben kann (BayObLG, Beschl. v. 15.8.2023 – 203 StRR 317/23). Bei der Berechnung des Nachtrunks ist zugunsten des Angeklagten mit dem nach medizinischen Erkenntnissen jeweils niedrigsten Abbauwert, Resorptionsdefizit und Reduktionsfaktor zu rechnen (BayObLG, a.a.O.). Das LG Oldenburg hat sich mit der Frage der Widerlegung einer sog. Nachtrunkbehauptung befasst (LG Oldenburg, Beschl. v. 24.5.2022 – 4 Qs 155/22, DAR 2022, 705 = VRR 7/2022, 21 = StRR 10/2022, 28).
Hinweis:
Auf der Grundlage dieser Rechtsprechung ist bei einer Nachtrunkbehauptung, vorrangig deren Richtigkeit zu prüfen. Dabei können Indizien die Angaben von Zeugen zum angeblichen Nachtrunk, der Zeitablauf, aber auch das Vorhandensein von geleerten oder angebrochenen Alkoholflaschen in Reichweite, z.B. am Wohnort, von Bedeutung sein. Erst wenn diese Einlassung nicht widerlegt werden kann, kommt die Frage der Berechnung dieses Nachtrunks mit Blick auf den Grenzwert der absoluten Fahruntüchtigkeit ins Spiel (BayObLG, a.a.O.; LG Oldenburg, a.a.O.; zur Nachtrunkbehauptung Staub/Dronkovic/Danner, DAR 2022, 672).
Nach Auffassung des LG Hannover ist eine schwierige Sachlage i.S.v. § 140 Abs. 2 StPO nicht allein mit dem Umstand zu begründen, dass ein Sachverständiger am Verfahren beteiligt ist. Die Notwendigkeit der sachverständigen Beurteilung eines behaupteten Nachtrunks sei kein Grund für die Bestellung eines Pflichtverteidigers (LG Hannover, Beschl. v. 5.9.2023 – 63 Qs 38/23).
Der Nachweis einer drogenbedingten Fahrunsicherheit i.S.v. § 316 StGB kann für eine Drogenfahrt nicht allein durch einen bestimmten Blutwirkstoffbefund geführt werden (BGH, Beschl. v. 2.8.2022 – 4 StR 231/22, NStZ 2022, 741; vgl. u.a. auch BGHSt 44, 219, 221). Vielmehr müssen weitere aussagekräftige Beweisanzeichen vorliegen, die im konkreten Einzelfall belegen, dass die Gesamtleistungsfähigkeit des Kraftfahrzeugführers so weit herabgesetzt gewesen ist, dass er nicht mehr f...