Die Vorratsdatenspeicherung wird in Deutschland bereits seit rund 14 Jahren nicht mehr durchgeführt, nachdem zunächst das BVerfG und später auch der EuGH einige der deutschen Rechtsgrundlagen für unvereinbar mit dem Grundgesetz bzw. europäischem Recht erklärt hatten. Zuletzt hat das BVerwG im vergangenen Jahr festgestellt, dass die Verpflichtung der Telekommunikationsdienstleister zur Speicherung von Verkehrsdaten nach dem TKG in vollem Umfang gegen die EU-Datenschutzrichtlinie verstößt (vgl. ZAP 2023, 923).
Für die Strafverfolgungsbehörden ist dieser Zustand misslich, da die digitale Kommunikation in den vergangenen Jahren eine zunehmend größere Bedeutung erlangt hat und in vielen Strafverfahren neben digitalen Spuren kaum weitere Ermittlungsansätze zur Verfügung stehen. Wie hier Abhilfe geschaffen werden kann, war in der Politik bislang umstritten; während ein Lager der Meinung war, dass auch eine neue Vorratsdatenspeicherung EU-konform ausgestaltet werden könnte und sollte, befürwortete das andere Lager das bereits von der früheren Bundesjustizministerin Leutheusser-Schnarrenberger favorisierte „Quick-Freeze”-Verfahren, bei dem die Verkehrsdaten von Handys, Computern und Co. nicht anlasslos gespeichert, sondern lediglich bei hinreichendem Verdacht „eingefroren” und erst nach einem richterlichen Beschluss sozusagen wieder „aufgetaut” und ausgewertet werden dürfen.
Mit letzterer Variante hat sich jetzt im Rahmen eines umfassenderen Kompromisses in der „Ampel”, welcher u.a. auch die Verlängerung der Mietpreisbremse umfasst, das BMJ durchgesetzt: Im Oktober legte Bundesjustizminister Buschmann den Referentenentwurf eines Gesetzes zur Einführung einer Sicherungsanordnung für Verkehrsdaten in der Strafprozessordnung vor, der im Kern die Umsetzung des „Quick-Freeze”-Verfahrens darstellt. Dieses Verfahren verbinde „drei große Vorzüge”, erläuterte der Minister bei Vorstellung des Gesetzentwurfs: Es sei effektiv, rechtssicher und es achte die Grundrechte. Vorgesehen ist ein zweistufiges Vorgehen:
- Erste Stufe („Einfrieren”): Die erste Stufe betrifft regelmäßig ein frühes Ermittlungsstadium. Sobald der Verdacht einer erheblichen Straftat vorliegt, sollen die Staatsanwaltschaften relevante Verkehrsdaten schnell und einfach beim Telekommunikationsanbieter sichern lassen können („Einfrieren”). Dazu sollen sie beim zuständigen Gericht eine Sicherungsanordnung beantragen. Diese setzt nach dem Gesetzentwurf nicht voraus, dass sich der Verdacht bereits gegen eine bestimmte Person richtet; es reicht, dass die Verkehrsdaten im Zusammenhang mit dem Verdacht einer Straftat von erheblicher Bedeutung stehen. Auch die Daten von Opfern einer Straftat können damit zunächst einmal gesichert werden. Die Sicherungsanordnung bewirkt, dass die Telekommunikationsanbieter diese Daten vorerst nicht löschen dürfen.
- Zweite Stufe („Auftauen”): Erst im weiteren Verlauf der Ermittlungen, wenn sich etwa der Verdacht gegen eine bestimmte Person konkretisiert, dürfen die relevanten Daten auf Grundlage einer weiteren richterlichen Anordnung vom Telekommunikationsanbieter an die Strafverfolgungsbehörden übermittelt werden („Auftauen”). Die Strafverfolgungsbehörden können sie dann im Rahmen der Ermittlungen auswerten.
„Verkehrsdaten” sind in diesem Sinne die Daten, die bei der Erbringung einer Telekommunikationsdienstleistung erhoben, verarbeitet oder genutzt werden. Sie betreffen die Umstände eines Telekommunikationsvorgangs, aber nicht den Inhalt der Kommunikation. Sie lassen z.B. erkennen, wer mit wem, wann und wie lange telefoniert oder sich austauscht. Diese Daten können auch Rückschlüsse auf den Standort des genutzten Mobilgeräts zulassen. Auch die IP-Adresse, die einem Telekommunikationsanschluss für den Zugang ins Internet zu einer bestimmten Zeit zugeordnet war, zählt dazu.
Der Entwurf ist derzeit an die Länder und Verbände versandt, die noch bis zum 6. Dezember Gelegenheit zur Stellungnahme haben.
[Quelle: BMJ]