Die Bundesregierung plant, Personen, die sich für das Gemeinwohl engagieren, besser vor Gewalt zu schützen. U.a. soll künftig bei der Strafzumessung zu berücksichtigen sein, ob sich eine Tat eignet, „eine dem Gemeinwohl dienende Tätigkeit nicht nur unerheblich zu beeinträchtigen”. Zudem soll ein „hinterlistiger Überfall” als Regelbeispiel für einen besonders schweren Fall des Widerstands gegen Vollstreckungsbeamtinnen und -beamte sowie Angriffe auf Hilfeleistende etwa der Feuerwehr, des Katastrophenschutzes oder eines Rettungsdienstes ins StGB aufgenommen werden (vgl. dazu näher ZAP 2024, 698).
Zu diesem Vorhaben fand Mitte Oktober eine Sachverständigenanhörung im Rechtsausschuss des Deutschen Bundestages statt. Die eingeladenen Experten begrüßten einhellig die Zielsetzung der Bundesregierung; für die konkrete Umsetzung gab es aber teilweise harsche Kritik. Für eine Anhörung im Rechtsausschuss ungewöhnlich war, dass rund die Hälfte der eingeladenen Fachleute keine Juristen waren. Sie wurden von den Organisationen der Ärzteschaft oder der Rettungsdienste entsandt und schilderten u.a. den Praxisalltag der Hilfeleistenden. So berichtete ein Vertreter des Deutschen Roten Kreuzes von immer mehr gezielten Attacken auf Rettungskräfte sowohl im öffentlichen Raum als auch im häuslichen Bereich. Dabei sei ein Problem, dass hinterher oft „die Beweislast schwer zu erbringen” sei, weil zunächst die Hilfe für den Notfallpatienten im Vordergrund stehe. Deshalb komme es oft zur Einstellung von Strafverfahren. Der Vorstandsvorsitzende der Kassenärztlichen Bundesvereinigung berichtete, dass die Gewalt in Arztpraxen mittlerweile ähnliche Ausmaße angenommen habe wie die gegen Rettungskräfte. Deshalb sei es notwendig, Ärzte und anderes Praxispersonal in den besonderen strafrechtlichen Schutz einzubeziehen. Auch der eingeladene Vizepräsident des Deutschen Feuerwehrverbandes wies auf zunehmende Respektlosigkeit und Aggression sowie deren Folgen hin: Betroffene würden demotiviert, was dem Ehrenamt schade und damit der ganzen Gesellschaft.
Gemeinsamer Tenor der befragten Berufsjuristen war demgegenüber – trotz Würdigung der Zielsetzung des Gesetzentwurfes – die Warnung vor einer Überregulierung. Noch am positivsten bewertete eine Richterin vom Bundesgerichtshof die vorgesehenen Änderungen. Eine Anhebung des Strafrahmens bei Widerstand und Angriff gegen Vollstreckungsbeamte hielt sie für angemessen; auch die Aufnahme des „hinterlistigen Überfalls” als Straftatbestand nannte sie im Wesentlichen gesetzessystematisch überzeugend und zielgerecht. Andere Regelungen lehnte die Expertin allerdings im Einklang mit anderen Sachverständigen ab.
Zu Letzteren zählte eine Kölner Professorin für Strafrecht, Strafprozessrecht und Kriminalpolitik; sie bezeichnete die im Entwurf vorgesehene Klarstellung, dass bei der Strafzumessung auch die „Eignung der Tat, eine dem Gemeinwohl dienende Tätigkeit nicht nur unerheblich zu beeinträchtigen” zu berücksichtigen sei, als „nicht erforderlich”. Auch der Experte des Deutschen Anwaltsvereins befand, dass „alle Handlungen, die hier mit Strafe neu belegt werden sollen, bereits mit Strafe belegt” seien. Daher bestehe keine Notwendigkeit für die Änderungen.
[Quelle: Bundestag]
ZAP F., S. 1051–1054