Kennen Sie den jüngsten Werbespot des umstrittenen chinesischen Online-Marktplatzes Temu? Eine junge Frau läuft mit poppiger Musikuntermalung („Shopping like a Billionaire”) durch eine sonnige Fußgängerzone und verteilt auf ihrem Wege wie mit Zauberhand fröhlich kleine Geschenke an ihre begeisterten Mitbürger. Weil sie es sich ob der niedrigen Preise leisten kann, so lautet wohl die Werbebotschaft.
Wären Sie nicht auch gerne so eine Zauberfee und verteilten ab sofort mit geringem Aufwand unerwartete kleine Geschenke an Ihre lieben Mandantinnen und Mandanten? Ein Traum? Was, wenn ich Ihnen sage, als Arbeitsrechtler können Sie sich diesen Traum schon jetzt erfüllen?
Hierzu muss ich Ihnen die Geschichte von einem im Arbeitsrecht tätigen Kollegen erzählen: Der Kollege vertritt zumeist die Arbeitnehmerseite und ist kein schlechter unserer Zunft, wenn ich das so sagen darf. Wenn er nicht im Interesse seiner Mandantschaft vor den Arbeitsgerichten Vergleiche schließt, gewinnt er durchaus des Öfteren seine Verfahren.
Erwirkte er mal wieder ein obsiegendes Urteil beim Arbeitsgericht, rechnete er seine Kosten mit seiner Mandantschaft bzw. ihrer Rechtsschutzversicherung ab, so wie Sie das aus Ihrer Praxis natürlich auch kennen: die Verfahrens- und die Terminsgebühr gemäß dem Streitwert, die Pauschale für Post- und Telekommunikationsdienstleistungen i.H.v. 20 EUR (Nrn. 7001, 7002 VV RVG) sowie die darauf anfallende Umsatzsteuer.
Die Mandantschaft bezahlte dem Anwalt sodann seine Rechnung bzw. ihren mit ihrer Rechtsschutzversicherung vereinbarten Eigenanteil (meist 150 EUR) und ihre Rechtsschutzversicherung zahlte die Differenz.
Und alle waren zufrieden ...
Denn unser Anwalt war nicht nur gut, sondern auch gewissenhaft. Hatte er doch seine Mandantschaft schon im ersten Beratungsgespräch unter Hinweis auf den § 12a Abs. 1 ArbGG darüber aufgeklärt, dass sie trotz des Obsiegens keine Erstattung ihrer Kosten für die Zuziehung eines Prozessbevollmächtigten wird verlangen können.
Doch kürzlich stellte unser Anwalt nach einem gewonnenen Prozess beim Arbeitsgericht München nochmals folgende Überlegung an: Hätte seine Mandantin den Prozess beim Arbeitsgericht ohne ihn geführt und hätte sie das zu ihren Gunsten ergangene Urteil selbst erwirkt, dann hätte sie ohne jeden Zweifel die ihr entstandenen Auslagen (Portogebühren etc.) geltend machen können.
Weil die Mandantin sich aber von unserem Anwalt hat anwaltlich vertreten lassen, sind die für die Prozessführung erforderlichen Auslagen nicht bei ihr, sondern bei ihm angefallen. Aber eigentlich handelt es sich, so seine Überlegung, bei dem im Rahmen des Gerichtsverfahrens anfallenden Entgelt nach den Nrn. 7001, 7002 VV RVG (jedenfalls zu einem Gutteil) um von Anwaltsseite verauslagte Mandantenkosten für die Prozessführung.
Warum aber sollen diese Auslagen nicht regelmäßig von dem unterlegenen Arbeitgeber zu erstatten sein?
Nach diesem Sinnieren hat sich unser Anwalt mal im Kollegenkreise umgehört, ob diese in dieser Konstellation eine Kostenerstattung beantragen würden. Die Antwort lautete durchgängig: „Nein, wieso? Das haben wir noch nie getan. Die Kostenerstattung ist doch wegen § 12a ArbGG ausgeschlossen ...”
Daraufhin hat sich unser Anwalt einmal die Mühe gemacht, in seine Kommentare zu gucken.
Dort konnte er nachlesen, dass der Erstattungsausschluss nach § 12a Abs. 1 ArbGG eine Kostenentscheidung und einen daraus schließenden Kostenerstattungsanspruch nicht völlig ausschließen würden. Die anwaltlichen Sachkosten seien erstattungsfähig, wenn diese sonst von der Partei hätten aufgewendet werden müssen (vgl. Dornbusch/Krumbiegel/Löwisch, AR, 10. Aufl. 2021, § 12a ArbGG Rn 4).
„Sieh an”, dachte unser Anwalt. Und er las weiter ...
Zu den Entgelten nach den Nrn. 7001, 7002 VV RVG zählen das Porto für Briefe, Postkarten, Päckchen, Pakete, Entgelte für besondere Postdienstleistungen wie Anschriftenprüfungen, Einschreiben, Einschreiben/Rückschein, Telefon- und Internetgebühren und, wenn auch sicherlich in zunehmendem Maße weniger verwendet, Gebühren für Telegramme oder Fernschreiben (vgl. Bischof et al., RVG, 9. Aufl. 2021, Nrn. 7001–7002 VV RVG Rn 3).
Bei der Lektüre der Aufzählung wurde unserem Anwalt nochmals mehr bewusst, dass die Pauschale Nr. 7002 VV RVG zu einem großen Teil Sachkosten beinhaltet, welche ein jeder Kläger bei eigener Prozessführung ohne anwaltliche Vertretung selbst würde aufwenden müssen.
Warum sollte dann, so folgerte er, die Sachkostenpauschale, immerhin 23,80 EUR brutto, nicht stets von den Prozessbevollmächtigten im Wege des Kostenfestsetzungsverfahrens geltend gemacht werden? Damit könnten sie doch verhindern, dass die von ihnen vertretenen Arbeitnehmenden immer auf den Sachkosten des Prozesses sitzen bleiben, obwohl sie ihren Prozess gewonnen haben.
Gesagt, getan, Kostenfestsetzungsantrag beim Arbeitsgericht München gestellt.
Doch ganz einfach hatte es unser Anwalt mal wieder nicht, sonst wäre die Juristerei ja kein Abenteuer. Zunächst erreichte ihn nämlich die erwartbare Anfr...