Das BSG hat mit Urt. v. 8.12.2022 – B 2 U 19/20 R, ASR 2023, 137 (hierzu Sartorius/Winkler, ZAP 2023, 1013, ferner Wagner, JM 2023, 333) zugunsten des Versicherungsschutzes einer ehrenamtlich tätigen Klägerin entschieden. Diese erlitt als Mitglied eines Frauenchors, der in einer Veranstaltung der evangelischen Kirchengemeinde ehrenamtlich auftreten sollte, auf dem Weg zu den Räumlichkeiten der Kirchengemeinde, um dort mit dem Chor zu singen, einen Unfall. Das Gericht sah den Unfall als Arbeitsunfall in Form des Wegeunfalls (§ 8 Abs. 1 S. 1 i.V.m. Abs. 2 Nr. 1 SGB VII) an und betrachtete die beabsichtigte Tätigkeit der Klägerin als versichert nach § 2 Abs. 1 Nr. 10 Buchst. b SGB VII. Nach dieser Vorschrift sind u.a. Personen, die für öffentlich-rechtliche Religionsgemeinschaften und deren Einrichtungen oder für privatrechtliche Organisationen im Auftrag oder mit ausdrücklicher Einwilligung, in besonderen Fällen mit schriftlicher Genehmigung von öffentlich-rechtlichen Religionsgemeinschaften, ehrenamtlich tätig sind, kraft Gesetzes versichert.
Unter ausdrücklichem Hinweis auf diese Entscheidung (s. ferner zum Versicherungsschutz eines ehrenamtlich tätigen DRK-Ortsvereinsvorsitzenden [Verkehrsunfall auf der Fahrt zu einem anderen, befreundeten DRK-Ortsverein] BSG, Urt. v. 8.12.2022 – B 2 U 14/20 R, hierzu Zimmermann, jurisPR-SozR 11/2023 Anm. 4 und Sartorius/Winkler, ZAP 2023, 1013) gab das BSG nunmehr der Klage eines Elternbeiratsmitglieds in einem kommunalen Kindergarten statt. Dieser sollte nach Absprache mit dem Elternbeirat für den jährlich stattfindenden Weihnachtsmarkt des Kindergartens Baumscheiben beschaffen und zuschneiden, um diese auf dem Basar des Weihnachtsmarkts zu verkaufen. Der Erlös war für Projekte des Kindergartens vorgesehen. Am Unfalltag schnitt der Kläger auf seinem Privatgrundstück Baumscheiben zu und verletzte sich hierbei mit der Kreissäge an der Hand. Klage und Berufung gegen die ablehnende Entscheidung der Unfallkasse blieben erfolglos. Aufgrund der Revision des Klägers hob das BSG die angefochtenen Bescheide und die Urteile der Vorinstanzen auf und entschied, das fragliche Ereignis sei ein Arbeitsunfall nach § 8 Abs. 1 SGB VII (BSG, Urt. v. 5.12.2023 – B 2 U 10/21 R, hierzu Plagemann, FD-SozVR 2024, 811503 u. Zimmermann, jurisPR-SozR 16/2024 Anm. 4).
Der Kläger übte, so das BSG, zum Unfallzeitpunkt eine nach § 2 Abs. 1 Nr. 10 Buchst. a SGB VII versicherte Tätigkeit aus. Nach dieser Bestimmung, die der Gesetzgeber u.a. zur Verbesserung des unfallversicherungsrechtlichen Schutzes bürgerschaftlich Engagierter eingeführt hat – s. Nachweis in Rn 15 der Entscheidung – sind kraft Gesetzes Personen versichert, die u.a. für Körperschaften, Anstalten oder Stiftungen des öffentlichen Rechts oder deren Verbände oder Arbeitsgemeinschaften (Alt. 1), für die in Nr. 2 und 8 genannten Einrichtungen (Alt. 2) ehrenamtlich tätig sind oder an Ausbildungsveranstaltungen für diese Tätigkeiten teilnehmen. Der Kläger war bei seiner unmittelbar zum Unfall führenden Verrichtung sowohl nach Alt. 1 als auch Alt. 2 der vorgenannten Vorschrift versichert, weil er die Baumscheiben für den Kindergarten als öffentliche Einrichtung einer Körperschaft des öffentlichen Rechts (§ 2 Abs. 1 Nr. 10 Buchst. a Alt. 1 SGB VII) ehrenamtlich für diese mit einer darauf gerichteten objektiven Handlungstendenz zuschnitt.
Eine ehrenamtliche Tätigkeit ist dadurch geprägt, dass sie unentgeltlich ausgeübt wird und immateriellen Werten, ideellen Zwecken oder dem Gemeinwohl dient (s. BSG, a.a.O., Rn 25 m.w.N.). Diese Voraussetzungen sieht das BSG als gegeben an: Nach den Feststellungen des LSG war der Kläger unentgeltlich tätig, da der Erlös aus dem Verkauf der Baumscheiben der Finanzierung von Projekten des kommunalen Kindergartens diente und somit dem Gemeinwohl. Hinzu kommt, dass der Kläger als Mitglied des Elternbeirats ein Ehrenamt innehatte und nach den Feststellungen des LSG die Durchführung und organisatorische Vorbereitung des Weihnachtsbasars in Abstimmung mit der Leitung des Kindergartens durch den Elternbeirat der geübten Praxis entsprach.
Ferner wurde der Kläger ehrenamtlich gerade für die Gemeinde bzw. den Kindergarten tätig, weil das Zuschneiden der Baumscheiben ihrem qualifizierten Aufgaben- und Verantwortungsbereich zuzurechnen ist, innerhalb dessen der Kläger die ihm zugeteilte Aufgabe erledigte (s. näher BSG, a.a.O., Rn 28 ff.).
Der Kläger wollte durch das Schneiden der Baumscheiben den ihm zugeteilten Beitrag leisten und handelte fremdnützig „für” den Kindergarten bzw. die Gemeinde mit einer darauf gerichteten objektivierten Handlungstendenz (s. BSG, a.a.O., Rn 44).
Der Schutz des § 2 Abs. 1 Nr. 10 Buchst. a SGB VII erstreckt sich zudem auf ehrenamtliche Tätigkeiten ohne räumliche Begrenzung – anders als beim Besuch einer Einrichtung nach § 2 Abs. 1 Nr. 8 SGB VII –, sodass Unfallversicherungsschutz entgegen der Annahme des LSG nicht deshalb zu versagen ist, weil der Kläger die zum Unfall führende Verrichtung auf seinem Pri...