Wir haben in ZAP 2024, 367, 384 zwei Entscheidungen des BSG besprochen, die Nichtzulassungsbeschwerden der jeweiligen Kläger wegen Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör stattgaben (Beschl. v. 25.4.2023 – B 7 AS 119/22 B – ungerechtfertigtes Übergehen des klägerischen Antrags auf Gewährung von Reisekosten zur Teilnahme an der mündlichen Verhandlung und Beschl. v. 8.3.2023 – B 7 AS 107/22 B – Nichtbescheidung eines erst am Termintag gestellten Antrags auf Terminsaufhebung bzw. -verlegung). Auf die dortigen Ausführungen, u.a. zur Herleitung des Anspruchs aus § 62 SGG, Art. 103 Abs. 1 GG und Art. 6 Abs. 1 EMRK, verweisen wir.
In dem nunmehr vom BSG entschiedenen Fall (Beschl. v. 10.4.2024 – B 11 AL 41/23 B, ASR 2024, 131) hatte das LSG den Kläger am 8.3.2023 zum Termin zur mündlichen Verhandlung am 21.9.2023 geladen. Mit Schreiben v. 19.9.2023 teilte der Kläger mit, er könne krankheitsbedingt nicht am Termin teilnehmen und bat um Verlegung. Dieses Schreiben enthielt als Anlage ein ärztliches Attest und ist am Sitzungstag, 21.9.2023, zwischen 8.30 und 8.35 Uhr von einem Fahrer bei einer Postfiliale abgeholt und um ca. 8.45 Uhr in einer Postkiste auf der Poststelle des LSG abgegeben worden. Nach Auskunft der Geschäftsleitung des Gerichts könne aufgrund von Personalengpässen dann eine Verzögerung eingetreten sein, sodass das Schreiben erst am Folgetag der Senatsgeschäftsstelle vorgelegt wurde. Das LSG hat in Unkenntnis dieses Schreibens am 21.9.2023 in der auf 10.00 Uhr geladenen Sitzung – wann die Sitzung begonnen und geendet hat, ist in der Sitzungsniederschrift nicht festgehalten – die Berufung des Klägers gegen das erstinstanzliche Urteil ohne Zulassung der Revision zurückgewiesen. Die Nichtzulassungsbeschwerde des Klägers – zu deren Begründung er ausführt, das LSG habe, ohne zuvor über seinen Verlegungsantrag zu befinden, in seiner Abwesenheit mündlich verhandelt und entschieden, was seinen Anspruch auf rechtliches Gehör verletze – führte zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das LSG.
Das BSG entscheidet, der Kläger habe mit seinem Vorbringen einen Verfahrensmangel, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen kann, hinreichend bezeichnet (§§ 160 Abs. 2 Nr. 3, 160a Abs. 2 S. 3 SGG).
Hinweis:
Soweit nicht ein absoluter Revisionsgrund geltend gemacht wird (s. hierzu § 202 S. 1 SGG i.V.m. § 547 ZPO), muss grds. in der Begründung der auf einen Verfahrensfehler gestützten Nichtzulassungsbeschwerde darauf eingegangen werden, dass die angefochtene Entscheidung auf dem gerügten Mangel beruhen kann, was auch bei einer behaupteten Verletzung des rechtlichen Gehörs gilt (MKS/Schmidt, SGG, 14. Aufl. 2023, § 160a Rn 16c, d). Nähere Darlegungen zur Kausalität einer Gehörsverletzung sind aber im Regelfall entbehrlich, wenn der Beteiligte gehindert worden ist, an der mündlichen Verhandlung teilzunehmen (s. MKS/Schmidt, a.a.O., § 160a Rn 16d a.E. und das BSG in der besprochenen Entscheidung Rn 10 unter Hinweis auf BSG, Beschl. v. 3.7.2020 – B 8 SO 72/19 B, juris Rn 7 m.w.N.).
Eine Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör ist vorliegend bereits in der Nichtbescheidung des Verlegungsantrags des Klägers v. 19.9.2023 vor dem Termin zu sehen. Dabei ist es, so das BSG, ohne Bedeutung, dass der Antrag dem Vorsitzenden erst am Tag nach der mündlichen Verhandlung vorgelegt wurde. Die Gerichtsverwaltung habe grds. durch organisatorische Maßnahmen sicherzustellen, dass Schriftsätze unverzüglich weitergeleitet werden und verweist hierbei u.a. auf die Ausführungen von MKS/Schmidt, a.a.O., § 110 Rn 4c. Dies gelte insb., wenn in einem Verfahren bereits Termin zur mündlichen Verhandlung anberaumt wurde und dies – wie hier – auch ohne Weiteres aus dem vorzulegenden Schriftsatz zu entnehmen ist. Anderes könne allenfalls dann anzunehmen sein, wenn es nach den Umständen des Einzelfalls ausgeschlossen wäre, dass ein Verlegungsgesuch den Richter noch erreicht (s. hierzu BSG, Beschl. v. 12.5.2017 – B 8 SO 69/16 B, Rn 8). Ausgehend davon, dass der Verlegungsantrag der Poststelle des LSG morgens jedenfalls gegen 8.45 Uhr vorlag, und dass die Sitzung an dem auf 10.00 Uhr anberaumten Termin wegen Nichterscheinens des Klägers nicht vor 10.15 Uhr begonnen haben dürfte, sah das BSG den zur Verfügung stehenden zeitlichen Rahmen von knapp eineinhalb Stunden als ausreichend an, um den Antrag noch vor Beginn der mündlichen Verhandlung dem Senatsvorsitzenden zur Kenntnis zu bringen.