1. Berücksichtigung von Beiträgen zu einem berufsständischen Versorgungswerk beim Arbeitslosengeld II
Das Einkommen muss vor der Anrechnung auf das Arbeitslosengeld II zunächst bereinigt werden. Unter anderem werden Beiträge zur Altersversorgung abgezogen. In dem hier zu besprechenden Verfahren war streitig, ob dies auch für die Beiträge zur Versorgung von Rechtsanwälten gilt. Das BSG bejahte dies in seinem Urt. v. 13.12.2023 – B 7 AS 16/22 R, juris (die Entscheidung wird besprochen von Fischer, NZS 2024, 472 und Hengelhaupt/Dietrich, jM 2024, 195) für einen Teil der Beiträge.
Der Beklagte bewilligte der als selbstständige Rechtsanwältin tätigen Klägerin vorläufig Arbeitslosengeld II. Die Leistung wurde endgültig festgesetzt, nachdem die Klägerin Einkommensnachweise vorgelegt hatte. Bei der Berechnung des endgültigen Anspruchs auf Arbeitslosengeld II wurden die Betriebseinnahmen den Betriebsausgaben gegenübergestellt und Freibeträge nach § 11b Abs. 1 S. 1, Abs. 2 SGB II abgesetzt. Da die vorläufig erbrachten Leistungen höher waren als die vom Beklagten berechneten Leistungen, forderte er die Erstattung von rund 1.465 EUR. Im Widerspruchsverfahren wurde die Erstattungsforderung auf rund 593 EUR gemindert. Eine weitere Reduzierung auf rund 591 EUR erfolgte im Klageverfahren. Sowohl das Sozialgericht als auch das Landessozialgericht lehnten sowohl die Absetzung der Beiträge zum Versorgungswerk i.H.v. monatlich 109,45 EUR als auch der Fahrtkosten i.H.v. monatlich 33,50 EUR in voller Höhe ab. Beide seien mit dem Grundfreibetrag für Erwerbstätige nach § 11b Abs. 2 S. 1 SGB II abgegolten. Die Klägerin rügte mit ihrer Revision eine Verletzung von § 11b Abs. 1 S. 1 Nr. 2 und Abs. 2 SGB II.
Rechtsgrundlage des Erstattungsanspruchs ist § 40 Abs. 2 Nr. 1 SGB II in der Fassung v. 13.5.2011 (BGBl 2011 I, S. 850) i.V.m. § 328 Abs. 2, 3 S. 1, 2 Hs. 1 SGB III i.d.F. des 1. SGB III–ÄndG v. 16.12.1997 (BGBl 1997 I, S. 2970). Danach sind bei einer Aufhebung oder Änderung einer vorläufigen Entscheidung die aufgrund dieser erbrachten Leistungen auf die zustehenden Leistungen anzurechnen und zu viel erbrachte Leistungen zu erstatten.
Hinweis:
Durch das Neunte Gesetz zur Änderung des Zweiten Buches Sozialgesetzbuch – Rechtsvereinfachung – sowie zur vorübergehenden Aussetzung der Insolvenzantragspflicht v. 26.7.2016 (BGBl 2016 I, S. 1824) wurde § 40 Abs. 2 Nr. 1 SGB II aufgehoben. Seitdem wird die vorläufige Entscheidung in § 41a SGB II für die Grundsicherung für Arbeitsuchende eigenständig geregelt. Bezüglich der Erstattung zu viel erhaltener vorläufiger Leistungen erfolgte keine wesentliche inhaltliche Änderung. Nach § 41a Abs. 6 S. 1 SGB II sind die erbrachten Leistungen auf die abschließend festgestellten Leistungen anzurechnen. Danach noch bestehende Überzahlungen sind gem. § 41a Abs. 6 S. 3 SGB II zu erstatten, sofern sie insgesamt mindestens 50 EUR für alle Mitglieder der Bedarfsgemeinschaft betragen.
Voraussetzung des Erstattungsanspruchs ist zunächst, dass eine abschließende Entscheidung vorliegt. Dass der Beklagte den Bescheid mit „Änderungsbescheid” überschrieben hatte, war unschädlich, weil seine Auslegung ergab, dass es sich um eine abschließende Entscheidung handelte (Rn 10 der Gründe). Unerheblich war ferner, dass die Erstattung nicht im selben Verwaltungsakt mit der abschließenden Entscheidung geltend gemacht wurde, weil der Erstattungsverwaltungsakt in engem zeitlichem Zusammenhang mit der abschließenden Entscheidung stand (Rn 10 der Gründe).
Weiter ist Voraussetzung des Erstattungsanspruchs, dass der Klägerin in der abschließenden Entscheidung ein Leistungsanspruch nicht oder in niedrigerer Höhe zustand als in der vorläufigen Entscheidung festgesetzt wurde.
Außer Streit stand, dass die Klägerin die Voraussetzungen des Anspruchs auf Arbeitslosengeld II aus § 19 Abs. 1 S. 2 SGB II i.V.m. § 7 Abs. 1 S. 1 SGB II dem Grunde nach erfüllte. Sie ist 1969 geboren und gehört damit der Altersgruppe an, für die Arbeitslosengeld II in Betracht kommt (§ 7 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 SGB II). Sie war erwerbsfähig nach den §§ 7 Abs. 1 S. 1 Nr. 2, 8 Abs. 2 SGB II und sie hatte ihren gewöhnlichen Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland (§ 7 Abs. 1 S. 1 Nr. 4 SGB II). Ferner war bei ihr keiner der Ausschlussgründe nach § 7 Abs. 1 S. 2, Abs. 4, Abs. 4a und Abs. 5 SGB II einschlägig. Streitig war lediglich, in welchem Umfang Hilfebedürftigkeit bestand. Dies war davon abhängig, in welcher Höhe von ihrem Einkommen Abzüge vorzunehmen waren.
Das monatliche Betriebsergebnis der Klägerin im streitbefangenen Zeitraum betrug nach den Feststellungen des LSG 285,26 EUR. Ob hiervon die Beiträge zum Versorgungswerk der Rechtsanwälte abzusetzen waren, hing von ihrer rechtlichen Qualifikation ab.
Das BSG stellte zunächst fest, dass es sich bei diesen nicht um Betriebsausgaben handelt. Nach der Systematik von § 3 Alg II-V (seit dem 1.1.2023 Bürgergeld-V) könnten die Absetzbeträge nach § 11b Abs. 1 SGB II nicht bei den Betriebsausgaben berücksichtigt werden (Rn 16 der Gründe).
Ferner lehnte das BSG die Qualifikation der Beiträge zum Versorgungswerk der Rechtsanwäl...