Nach § 33 Abs. 1 S. 1 SGB V haben Versicherte Anspruch auf Versorgung mit Hörhilfen, Körperersatzstücken, orthopädischen und anderen Hilfsmitteln, die im Einzelfall erforderlich sind,
- um den Erfolg der Krankenbehandlung zu sichern (Alt. 1),
- einer drohenden Behinderung vorzubeugen (Alt. 2) oder
eine Behinderung auszugleichen (Alt. 3),
soweit die Hilfsmittel nicht als allgemeine Gebrauchsgegenstände des täglichen Lebens anzusehen oder nach § 34 Abs. 4 SGB V ausgeschlossen sind.
In drei Entscheidungen v. 18.4.2024 hat der 3. Senat des BSG Ansprüchen auf Versorgung mit motorunterstützten Mobilitätshilfen zum Ausgleich einer Behinderung (§ 33 Abs. 1 S. 1 Alt. 3 SGB V) entsprochen. In den Verfahren B 3 KR 13/22 R (auf die hier dargestellten rechtlichen Erwägungen verweist das Gericht auch in den beiden weiteren Verfahren) – hierzu Knispel, jurisPR-SozR 17/2024 Anm. 2 – und B 3 KR 14/23 R war streitgegenständlich jeweils die Versorgung mit einem motorunterstützten Handkurbelrollstuhlzuggerät. Im Verfahren B 3 KR 7/23 R stand im Streit die Kostenerstattung für ein selbst beschafftes Erwachsenendreirad mit Motorunterstützung.
Wie Knispel in seiner Anm. ausführt, lässt sich das BSG offensichtlich davon leiten, den in ihrer Mobilität eingeschränkten Personen grds. in weiterem Umfang die Teilhabe an Bewegungsmöglichkeiten nicht eingeschränkter Personen zu eröffnen. Das Gericht verweist auf das (Grund-)Bedürfnis, Alltagsverrichtungen im Nahbereich nach Möglichkeit unter Einsatz eigener (Rest-)Kräfte bewältigen zu können, das geschützt sei als Ausdruck personaler Autonomie von der Anspruchsnorm in § 33 SGB V und bekräftigt werde durch die Teilhabeziele des SGB IX, das Benachteiligungsverbot des Art. 3 S. 2 GG i.V.m. dem Recht auf persönliche Mobilität nach Art. 20 UN-Behindertenrechtskonvention (UN-BRK). In ausdrücklicher Abweichung von früherer Rspr. bzw. deren Weiterentwicklung stehen bei der Versorgung Versicherter mit motorunterstützten Mobilitätshilfen die hierbei mögliche Reichweite – auch über die für nicht behinderte Menschen übliche fußläufige Entfernung hinaus – und die erreichbare Geschwindigkeit – hier bis zu 25 km/h – der damit eröffneten Fortbewegung nicht entgegen, sofern eine zumutbare Erschließung des Nahbereichs der Wohnung mit eigener Körperkraft anders nicht möglich ist.
Hinweis:
Zum (bejahten) Anspruch auf Versorgung mit einem elektrisch unterstützten Rollstuhlzuggerät nach § 33 Abs. 1 S. 1 Alt. 3 SGB V s. auch SG Köln, Urt. v. 16.11.2023 – S 36 KR 622/21. Im entschiedenen Fall war die vorhandene Versorgung mit einem Aktivrollstuhl wegen Beeinträchtigung der oberen Extremitäten durch chronische Polyarthritis nicht ausreichend. Nellissen stimmt der Entscheidung zu (jurisPR-SozR 10/2024 Anm. 1) und verweist u.a. auf BSG, Urt. v. 7.5.2020 – B 3 KR 7/19 R, juris. Dort führte das Gericht bereits aus, der Anspruch auf ein Hilfsmittel zum Behindertenausgleich sei grds. nicht auf eine Minimalversorgung beschränkt und das Grundbedürfnis auf Erschließung des Nahbereichs dürfe nicht zu eng gefasst werden, Rn 29 u. 31.