In Zusammenhang mit der Frage, ob ggf. eine Zueignung i.S.d. § 246 Abs. 1 StGB vorgelegen hat, spielt die Frage nach der sog. Manifestation des Zueignungswillens immer wieder eine Rolle. Dazu hat noch einmal der BGH in einem Beschl. v. 29.11.2023 (6 StR 191/23, NJW 2024, 1050) Stellung genommen. Das LG hatte den Angeklagten u.a. wegen Unterschlagung eines sicherungsübereigneten Tiefladers verurteilt und das damit begründet, dass die geschuldete Rückgabe nicht erfolgt sei. Insoweit war die Revision des Angeklagten erfolgreich.
Nach Auffassung des BGH hatte sich der Angeklagte den im Eigentum einer T-AG stehenden Tieflader nicht zugeeignet. Eine Zueignung i.S.d. § 246 Abs. 1 StGB setze nach der – von der bisherigen Rspr. abweichenden Auffassung – des Senats voraus, dass der Täter sich die Sache oder den in ihr verkörperten wirtschaftlichen Wert wenigstens vorübergehend in sein Vermögen einverleibt und den Eigentümer auf Dauer von der Nutzung ausschließt (im Ausgangspunkt ebenso BGH, Beschl. v. 5.3.1971 – 3 StR 231/69, BGHSt 24, 115, 119). Eine bloße Manifestation des Zueignungswillens genüge nicht, könne aber ein gewichtiges Beweisanzeichen für den subjektiven Tatbestand sein.
Gestützt werde dieses Verständnis – so der BGH im Beschl. v. 29.11.2023, a.a.O. – durch den Wortlaut des § 246 StGB, wonach derjenige eine Unterschlagung begeht, der sich oder einem Dritten eine Sache rechtswidrig zueignet. Mit dieser Formulierung schreibe der Gesetzgeber fest, dass eine Zueignung tatsächlich eingetreten sein muss; die Vorschrift sei als Erfolgsdelikt ausgestaltet. Auch die Gesetzgebungsgeschichte spreche für eine rechtsgutbezogene Auslegung des Begriffs der Zueignung. So sei der Anwendungsbereich des § 246 StGB mit dem Sechsten Gesetz zur Reform des Strafrechts vom 26.1.1998 (BGBl 1998 I, S. 164), das den Wegfall des Gewahrsamserfordernisses vorsah, erheblich ausgeweitet worden. Um nach der Gesetzesänderung die Tathandlung und den Vollendungszeitpunkt unter Wahrung des Bestimmtheitsgebots (Art. 103 Abs. 2 GG) zu konkretisieren und die Grenze zur Versuchsstrafbarkeit (§ 246 Abs. 3 StGB) konturieren zu können, sei der Unterschlagungstatbestand – und damit notwendigerweise das Tatbestandsmerkmal „zueignet” – auf tatsächliche Eigentumsbeeinträchtigungen zu beschränken. Für dieses Ergebnis sprächen zudem gesetzessystematische Erwägungen. So setze die Zueignungsabsicht beim Diebstahl voraus, dass sich der Täter unter dauerhaftem Ausschluss der Nutzungsmöglichkeit des Berechtigten die Sache oder den in ihr verkörperten Wert seinem Vermögen zumindest vorübergehend einverleiben will. Der in § 242 Abs. 1 StGB verwendete Begriff der Zueignung entspreche demjenigen des § 246 Abs. 1 StGB (BGHSt, a.a.O.); der Unterschied bestehe (lediglich) darin, dass diese bei der Unterschlagung in die Tat umgesetzt sein muss, während beim Diebstahl die Absicht hierzu genügt. Der Umstand, dass sich der Täter zivilrechtlich eine fremde Sache nicht erfolgreich „zueignen”, sondern an ihr allenfalls im Wege der §§ 946 ff. BGB Eigentum erwerben kann („scheinbare Eigentümerstellung”), stehe einem – strafrechtsautonom zu beurteilenden – Zueignungserfolg nicht entgegen. Schließlich sei dieses Begriffsverständnis auch aus teleologischer Sicht geboten. So sei bei der Auslegung des Tatbestandsmerkmals „zueignet” die Begrenzung des Strafrechts als „ultima ratio” zu beachten. Eine Strafbarkeit wegen Unterschlagung müsse somit in jedem Fall zum Schutz des Eigentums erforderlich sein; dieser Vorgabe sei durch eine präzise Beschreibung des Unrechts des § 246 StGB – die nach dem 6. StrRG nur durch das (einzige) Tatbestandsmerkmal „zueignet” erfolgen könne – Rechnung zu tragen. Eine Zueignung setze demnach mindestens voraus, dass die Befugnisse des jeweiligen Eigentümers – also sein Nutzungs- oder sein Ausschlussrecht aus § 903 BGB – beeinträchtigt werden. Hingegen würde eine vom Rechtsgut des § 246 StGB losgelöste Interpretation den zulässigen Anwendungsbereich des Strafrechts überdehnen, denn der Unterschlagungstatbestand könnte infolge des Wegfalls des Gewahrsamserfordernisses Konstellationen erfassen, in denen Eigentümerinteressen nicht einmal abstrakt gefährdet würden.
Soweit es hingegen die Rspr. (BGH, Urt. v. 19.6.1951 – 1 StR 42/51, BGHSt 1, 262, 264; Beschl. v. 5.3.1971 – 3 StR 231/69, BGHSt 24, 115, 119; Urt. v. 17.3.1987 – 1 StR 693/86, BGHSt 34, 309, 311; BGH, Urt. v. 6.9.2006 – 5 StR 156/06, NStZ-RR 2006, 377) bisher für eine Zueignung i.S.d. § 246 Abs. 1 StGB habe ausreichen lassen, dass sich der Zueignungswille des Täters in einer nach außen erkennbaren Handlung manifestiert („weite Manifestationstheorie”, für eine Beschränkung auf „eindeutige” Handlungen Lackner/Kühl/Heger, 30. Aufl., § 246 Rn 4), überzeuge dies aus den zuvor ausgeführten Gründen nicht. Auch wenn ein solcher Manifestationsakt häufig mit einer Eigentumsbeeinträchtigung einhergehen dürfte und als Beweisanzeichen für den subjektiven Tatbestand gewertet werden kann, so seien doch Fälle den...