1. Gefährlicher Eingriff in den Bahnverkehr (§ 315 StGB)
Verfahren wegen gefährlichen Eingriffs in den Bahnverkehr gem. § 315 Abs. 1 Nr. 2 StGB sind in der Praxis seltener anzutreffen. Deshalb lohnt es sich ggf. einmal, einen Blick in eine dazu jetzt ergangene Entscheidung des OLG Köln (Beschl. v. 19.3.2024 – III-1 ORs 45/24) zu werfen. Das OLG wendet in dieser Entscheidung die Rspr.-Grundsätze zum gefährlichen Eingriff in den Straßenverkehr (§ 315c StGB) entsprechend an. Danach erfordert also auch ein vollendeter gefährlicher Eingriff in den Bahnverkehr, dass die Tathandlung über die ihr innewohnende latente Gefährlichkeit hinaus in eine kritische Situation geführt hat, in der – was nach allgemeiner Lebenserfahrung aufgrund einer objektiv nachträglichen Prognose zu beurteilen ist – die Sicherheit einer bestimmten Person oder Sache so stark beeinträchtigt war, dass es im Sinne eines „Beinahe-Unfalls” nur noch vom Zufall abhing, ob das Rechtsgut verletzt wurde oder nicht. Es gilt also auch hier die umfangreiche „Beinahe-Unfall-Rspr.” des BGH (dazu auch unter IV. 2.). Zur Fahrlässigkeit hat das OLG dann festgestellt, dass die allgemeine Erwägung des Tatrichters, in einer Großstadt müsse stets damit gerechnet werden, dass hinter einem Zaun auch Schienen verlaufen können, nicht ausreicht, um einen Fahrlässigkeitsvorwurf hinsichtlich eines gefährlichen Eingriffs in den Bahnverkehr zu begründen.
2. Gefährlicher Eingriff in den Straßenverkehr (§ 315b StGB)
Der Straftatbestand des gefährlichen Eingriffs in den Straßenverkehr nach § 315b StGB beschäftigt die Rspr. häufig. Hinzuweisen ist auf folgende Entscheidungen:
a) Täter
Ein sog „verkehrsfeindlicher Inneneingriff”, der zur Annahme eines gefährlichen Eingriffs in den Straßenverkehr nach § 315b StGB führt, kann auch durch einen Mitfahrer eines Kraftfahrzeugs in Mittäterschaft begangen werden. Das hat der BGH noch einmal bestätigt (BGH, Beschl. v. 15.8.2023 – 4 StR 227/23) und damit bereits vorliegende Rspr. fortgeführt (BGH, Beschl. v. 18.6.2013 – 4 StR 145/13; OLG Hamm, Beschl. v. 31.1.2017 – III-4 RVs 159/16, NStZ-RR 2017, 224). Denn § 315b Abs. 1 StGB stellt kein eigenhändiges Delikt dar, bei dem der Täter nur durch ein eigenes Handeln persönlich den Tatbestand erfüllen kann. Hier war der Angeklagte zusammen mit seinem Bruder, der den Pkw steuerte, zu einem mit einem Dritten vereinbarten Treffpunkt gefahren. Dort war der Bruder des Angeklagten auf diesen Dritten zugefahren. Der Angeklagte und sein Bruder hatten dabei in Kauf genommen, dass der Dritte tödliche Verletzungen erleiden konnte. Der BGH hat die Verurteilung auch des Angeklagten nach § 315b StGB nicht beanstandet.
b) Tathandlung
Der BGH hat in seinem Beschl. v. 23.4.2024 (4 StR 87/24) noch einmal zum gefährlichen Eingriff in den Straßenverkehr wegen Schießens im Straßenverkehr Stellung genommen. Das LG hatte den Angeklagten u.a. wegen eines Verstoßes gegen § 315b Abs. 1 Nr. 1 StGB verurteilt, weil das Fahrzeug des Geschädigten infolge der Schussabgabe durch den Angeklagten beschädigt worden war. Der BGH sieht das anders. Der Tatbestand des § 315b Abs. 1 Nr. 1 StGB setze nämlich voraus, dass durch die Beschädigung eines fremden Fahrzeugs die Sicherheit des Straßenverkehrs beeinträchtigt worden sei. Die Beschädigung des Fahrzeugs müsse mithin das Mittel der Gefährdung gebildet haben und dieser also zeitlich und ursächlich vorausgehen (vgl. hierzu BGH, Beschl. v. 26.7.2011 – 4 StR 340/11 m.w.N.). Erschöpfe sich die Beeinträchtigung hingegen in der Beschädigung des fremden Kraftfahrzeugs, scheide die Anwendung von § 315b Abs. 1 Nr. 1 StGB aus.
Der BGH (Beschl. v. 23.4.2024 – 4 StR 87/24) hat jedoch den Tatbestand des § 315b Abs. 1 Nr. 3 StGB als erfüllt angesehen. Dieser Tatbestand könne auch dann erfüllt sein, wenn die Tathandlung (hier: Abgabe des Schusses) unmittelbar zu einer konkreten Gefahr oder Schädigung (Sachschäden am Kraftfahrzeug des Geschädigten) führt. Dies gelte allerdings nicht uneingeschränkt. Nicht jede Sachbeschädigung oder auch Körperverletzung im Straßenverkehr sei tatbestandsmäßig i.S.d. § 315b StGB. Vielmehr gebiete der Schutzzweck insoweit eine restriktive Auslegung der Norm, als unter einer konkreten Gefahr für Leib oder Leben eines anderen Menschen oder für fremde Sachen von bedeutendem Wert nur verkehrsspezifische Gefahren verstanden werden dürfen (st. Rspr.; vgl. etwa BGH, Beschl. v. 30.8.2022 – 4 StR 215/22; Urt. v. 9.12.2021 – 4 StR 167/21 m.w.N.; Urt. v. 4.12.2002 – 4 StR 103/02, BGHSt 48, 119, 124). Dies sei der Fall, wenn die konkrete Gefahr jedenfalls auch auf die Wirkungsweise der für Verkehrsvorgänge typischen Fortbewegungskräfte (Dynamik des Straßenverkehrs) zurückzuführen ist (u.a. BGH, Beschl. v. 30.8.2022 – 4 StR 215/22; Urt. v. 9.12.2021 – 4 StR 167/21 m.w.N.; Urt. v. 4.12.2002 – 4 StR 103/02). Nach diesen Maßgaben ist der BGH von einem gefährlichen Eingriff in den Straßenverkehr ausgegangen. Anders als in den bisher entschiedenen Fällen, in denen der BGH ohne eingetretenen „Beinahe-Unfall” eine verkehrsspezifische Gefahr durch Pistolenschüsse auf Kraftfahrzeuge verneint habe (vgl. BGH, Beschl. v. 30.8.2017 – 4 St...