Die Tathandlungen des § 370 Abs. 1 AO müssen den Taterfolg "Steuerverkürzung" herbeiführen.
a) Steuer
Steuern sind in § 3 Abs. 1 S. 1 AO definiert als Geldleistungen ohne Gegenleistungscharakter für eine besondere Leistung. Unter diesen Begriff fallen alle Besitz- und Verkehrssteuern (z.B. Einkommen-, Vermögen-, Erbschaft-, Umsatz-, Gewerbesteuer), Realsteuern (Grund- und Grunderwerbsteuer) sowie Verbrauchssteuern (z.B. Mineralöl- und Tabaksteuer). Zölle und Abschöpfungen zählen genauso zu den Steuern im Sinne der AO (§ 3 Abs. 3 AO) wie Steuerzuschläge (z.B. der Solidaritätszuschlag). Steuer i.S.d. § 370 AO ist auch die für unberechtigten Steuerausweis geschuldete Steuer nach § 14c Abs. 2 UStG (Klein/Jäger, § 370 Rn. 45).
Keine Steuern sind steuerliche Nebenleistungen (§ 3 Abs. 4 AO). Für die Kirchensteuer wird in den Landeskirchensteuergesetzen i.d.R. ebenfalls keine "Hinterziehung" von Kirchensteuern normiert (BGH, Beschl. v. 17.4.2008 – 5 StR 547/07, wistra 2008, 310; Rolletschke/Kemper, § 370 Rn. 175).
b) Verkürzungszeitpunkt
Wann der Taterfolg "Steuerverkürzung" eintritt – die Tat also vollendet ist – ergibt sich namentlich aus § 370 Abs. 4 S. 1 Hs. 1 AO. Maßgebend ist insoweit die nicht richtige, nicht rechtzeitige oder gar nicht erfolgte Steuerfestsetzung. In Bezug auf die Art der Steuerfestsetzung ist zwischen Veranlagungssteuern und Anmeldungssteuern zu unterscheiden.
aa) Veranlagungssteuer
Bei Veranlagungssteuern erfolgt die Steuerfestsetzung i.d.R. durch förmlichen Steuerbescheid (§§ 155, 157 AO). Eine Steuerfestsetzung wird mit der Bekanntgabe des Steuerbescheids an den Steuerpflichtigen wirksam (§ 124 Abs. 1 S. 1 AO). Die Bekanntgabefiktion nach § 122 Abs. 2 AO findet Anwendung, so dass eine Vollendung erst nach drei Tagen nach Absendung eingreift, auch wenn der Bescheid früher zugeht (Graf/Jäger/Wittig/Rolletschke, Wirtschafts- und Steuerstrafrecht, 2011, § 370 Rn. 93 ff.; Rolletschke/Kemper, § 370 Rn. 183; Klein/Jäger, § 370 Rn. 90a; Flore/Tsambikakis/Flore, Steuerstrafrecht, 1. Aufl. 2013, § 370 Rn. 273).
Unerheblich ist insoweit die Veranlagungsform (endgültig, vorläufig i.S.d. § 165 AO, Vorbehalt der Nachprüfung i.S.d. § 164 AO). Tatbestandlich unerheblich sind auch die Bestandskraft des Steuerbescheids, die Fälligkeit der Steuerforderung oder die schlichte Nichtzahlung von Steuern (BGH, Beschl. v. 13.10.2005 – 5 StR 368/05, wistra 2006, 66). Da der jeweilige Besteuerungsabschnitt maßgebend ist, ist tatbestandlich auch irrelevant, ob die nicht zutreffend erklärten Besteuerungsgrundlagen in einem späteren Besteuerungszeitraum (nach-)erklärt werden. Weil zudem auf den jeweiligen Steuerpflichtigen abgestellt wird, ist tatbestandlich ebenso ohne Bedeutung, ob ein Dritter gegenüber den Finanzbehörden fiktive Angaben macht und Besteuerungsgrundlagen erklärt, die den Steuerpflichtigen betreffen (sog. Strohmann-Fälle, vgl. z.B. BGH, Urt. v. 2.12.2008 – 1 StR 344/08, wistra 2009, 278). Strafrechtlich unerheblich ist ferner, ob die unzutreffende Steuerfestsetzung steuerverfahrensrechtlich noch nach den §§ 129, 164 Abs. 2 S. 1, 165 Abs. 2 S. 1, 172 ff. AO korrigiert werden (kann) oder nicht (Rolletschke wistra 2007, 371).
Aus Praktikabilitätsgründen (die Steuerhinterziehung durch pflichtwidriges Unterlassen wäre ansonsten wegen § 171 Abs. 7 AO unverjährbar) wird zugunsten des (insbesondere steuerlich nicht geführten) Steuerpflichtigen fingiert, eine Steuerverkürzung liege auch vor, sobald die Veranlagungstätigkeit für den betreffenden Veranlagungszeitraum im zuständige Veranlagungsbezirk im seinerzeit örtlich zuständigen Festsetzungsfinanzamt "im Allgemeinen" abgeschlossen ist. Bis dahin wäre nämlich der Steuerpflichtige bei ordnungsgemäßer Abgabe seiner Steuererklärung(en) – von einzelnen Restfällen abgesehen – spätestens veranlagt worden (vgl. BGH, Beschl. v. 28.10.1998 – 5 StR 500/98, wistra 1999, 385). In der Praxis wird der besagte Abschluss der Veranlagungsarbeiten regelmäßig mit Erreichen einer 95 %igen Erledigungsquote im örtlich zuständigen Festsetzungsfinanzamt angenommen (BayObLG, Beschl. v. 9.11.2000 – 4 StRR 126/00, wistra 2001, 194). Maßgeblich sind grundsätzlich die konkreten Verhältnisse im zuständigen Finanzamt. Nach der Rechtsprechung (BGH, Urt. v. 19.1.2011 – 1 StR 640/10, PStR 2011, 82) sind aber auch die konkreten steuerlichen Verhältnisse des jeweiligen Angeklagten von Bedeutung. Insoweit kann vor allem bei einfach gelagerten Sachverhalten von einer Zeitspanne der Bearbeitung fristgerecht eingereichter Steuererklärungen von längstens einem Jahr ausgegangen werden.
bb) Anmeldungssteuer
Während Veranlagungssteuern auf der Grundlage von Angaben des Steuerpflichtigen von der Finanzbehörde festgesetzt werden, muss der Steuerpflichtige bei gesetzlich vorgeschriebenen Steueranmeldungen seine Steuer selbst berechnen (§ 150 Abs. 1 S. 2 AO) und die selbst berechneten ...