Bei Veranlagungssteuern erfolgt die Steuerfestsetzung i.d.R. durch förmlichen Steuerbescheid (§§ 155, 157 AO). Eine Steuerfestsetzung wird mit der Bekanntgabe des Steuerbescheids an den Steuerpflichtigen wirksam (§ 124 Abs. 1 S. 1 AO). Die Bekanntgabefiktion nach § 122 Abs. 2 AO findet Anwendung, so dass eine Vollendung erst nach drei Tagen nach Absendung eingreift, auch wenn der Bescheid früher zugeht (Graf/Jäger/Wittig/Rolletschke, Wirtschafts- und Steuerstrafrecht, 2011, § 370 Rn. 93 ff.; Rolletschke/Kemper, § 370 Rn. 183; Klein/Jäger, § 370 Rn. 90a; Flore/Tsambikakis/Flore, Steuerstrafrecht, 1. Aufl. 2013, § 370 Rn. 273).
Unerheblich ist insoweit die Veranlagungsform (endgültig, vorläufig i.S.d. § 165 AO, Vorbehalt der Nachprüfung i.S.d. § 164 AO). Tatbestandlich unerheblich sind auch die Bestandskraft des Steuerbescheids, die Fälligkeit der Steuerforderung oder die schlichte Nichtzahlung von Steuern (BGH, Beschl. v. 13.10.2005 – 5 StR 368/05, wistra 2006, 66). Da der jeweilige Besteuerungsabschnitt maßgebend ist, ist tatbestandlich auch irrelevant, ob die nicht zutreffend erklärten Besteuerungsgrundlagen in einem späteren Besteuerungszeitraum (nach-)erklärt werden. Weil zudem auf den jeweiligen Steuerpflichtigen abgestellt wird, ist tatbestandlich ebenso ohne Bedeutung, ob ein Dritter gegenüber den Finanzbehörden fiktive Angaben macht und Besteuerungsgrundlagen erklärt, die den Steuerpflichtigen betreffen (sog. Strohmann-Fälle, vgl. z.B. BGH, Urt. v. 2.12.2008 – 1 StR 344/08, wistra 2009, 278). Strafrechtlich unerheblich ist ferner, ob die unzutreffende Steuerfestsetzung steuerverfahrensrechtlich noch nach den §§ 129, 164 Abs. 2 S. 1, 165 Abs. 2 S. 1, 172 ff. AO korrigiert werden (kann) oder nicht (Rolletschke wistra 2007, 371).
Aus Praktikabilitätsgründen (die Steuerhinterziehung durch pflichtwidriges Unterlassen wäre ansonsten wegen § 171 Abs. 7 AO unverjährbar) wird zugunsten des (insbesondere steuerlich nicht geführten) Steuerpflichtigen fingiert, eine Steuerverkürzung liege auch vor, sobald die Veranlagungstätigkeit für den betreffenden Veranlagungszeitraum im zuständige Veranlagungsbezirk im seinerzeit örtlich zuständigen Festsetzungsfinanzamt "im Allgemeinen" abgeschlossen ist. Bis dahin wäre nämlich der Steuerpflichtige bei ordnungsgemäßer Abgabe seiner Steuererklärung(en) – von einzelnen Restfällen abgesehen – spätestens veranlagt worden (vgl. BGH, Beschl. v. 28.10.1998 – 5 StR 500/98, wistra 1999, 385). In der Praxis wird der besagte Abschluss der Veranlagungsarbeiten regelmäßig mit Erreichen einer 95 %igen Erledigungsquote im örtlich zuständigen Festsetzungsfinanzamt angenommen (BayObLG, Beschl. v. 9.11.2000 – 4 StRR 126/00, wistra 2001, 194). Maßgeblich sind grundsätzlich die konkreten Verhältnisse im zuständigen Finanzamt. Nach der Rechtsprechung (BGH, Urt. v. 19.1.2011 – 1 StR 640/10, PStR 2011, 82) sind aber auch die konkreten steuerlichen Verhältnisse des jeweiligen Angeklagten von Bedeutung. Insoweit kann vor allem bei einfach gelagerten Sachverhalten von einer Zeitspanne der Bearbeitung fristgerecht eingereichter Steuererklärungen von längstens einem Jahr ausgegangen werden.