Für die Erfüllung des § 370 AO genügt jede Vorsatzform. Ausreichend ist insofern dolus eventualis. Da § 370 AO als Blankettgesetz durch die – mitunter komplizierten – steuerlichen Vorschriften ergänzt wird, streitet die Praxis häufig über die Frage, ob noch bewusste Fahrlässigkeit oder schon Eventualvorsatz vorliegt. Gleiches gilt hinsichtlich des Vorsatznachweises im Zusammenhang mit Fragen des Kompensationsverbots. Dabei ist in jedem Einzelfall u.a. das Ausbildungsniveau, die Herkunft des Steuerpflichtigen, die rechtliche Schwierigkeit des steuerlichen Sachverhalts sowie insbesondere die steuerliche Erfahrenheit des Täters zu berücksichtigen. Grundsätzlich ist es nach der von der Rechtsprechung vertretenen Steueranspruchstheorie ausreichend, wenn der Täter den bestehenden Steueranspruch dem Grund nach kennt und der Höhe nach für möglich hält. Eine genaue Kenntnis der steuerlichen Vorschriften bzw. eine genaue Bezifferung des Steuerschadens durch den Täter bedarf es allerdings nicht (Parallelwertung in der Laienspähre; BGH, Urt. v. 8.9.2011 – 1 StR 38/11, wistra 2011, 465). Im Fall der Steuerhinterziehung durch Unterlassen muss der Täter darüber hinaus diejenigen Tatsachen kennen, die seine Pflicht zur Aufklärung der Finanzbehörde begründen (Klein/Jäger, § 370 Rn. 179). Die Vorsatzfeststellung setzt eine Gesamtschau aller objektiven und subjektiven Tatumstände voraus (BGH, Urt. v. 21.9.2000 – 1 StR 236/00, NStZ 2001, 86). Entlastende Angaben des Beschuldigten, für deren Richtigkeit oder Unrichtigkeit es keine hinreichenden Beweise gibt, müssen dabei nicht ohne weiteres als unwiderlegbar zugrunde gelegt werden. Vielmehr muss ein Tatrichter auf der Grundlage des gesamten Beweisergebnisses entscheiden, ob diese Angaben geeignet sind, seine Überzeugungsbildung zu beeinflussen (vgl. BGH, Urt. v. 17.2.1998 – 5 StR 624/97, wistra 1998, 225). Nach der Rechtsprechung des BGH sind zudem "keine überspannten Anforderungen" an die für eine Verurteilung erforderliche Gewissheit hinsichtlich der subjektiven Tatseite zu stellen (vgl. BGH, Urt. v. 27.4.2010 – 1 StR 454/09, NStZ 2011, 108; strenger allerdings OLG Karlsruhe, Urt. v. 16.3.2015 – 1 (4) Ss 560/14, wistra 2015, 325).
Bei Kaufleuten ist deren Umgang mit den in ihrem Gewerbe bestehenden Erkundigungspflichten in die Würdigung mit einzubeziehen. Informiert sich ein Kaufmann über die in seinem Gewerbe bestehenden steuerlichen Pflichten nicht, kann dies auf seine Gleichgültigkeit (voluntatives Vorsatzelement) hinsichtlich dieser Pflichten hindeuten. Dasselbe gilt, wenn er es unterlässt, sich in Zweifelsfällen – insbesondere bei von der üblichen Geschäftsabwicklung abweichenden Vertragskonstruktionen oder Geschäftsabläufen – sachkundigen Rechtsrat einzuholen (vgl. BGH, Urt. v. 8.9.2011 – 1 StR 38/11, n.v.; BGH, Urt. v. 17.12.2014 – 1 StR 324/14, wistra 2015, 191).
Hinweis:
Entsprechende Feststellungen sind deshalb Indizien dafür, dass der Täter sich mit der Möglichkeit der Steuerverkürzung abfindet und damit zumindest die voluntative Seite des Vorsatzes zu bejahen ist.
Lässt sich kein Eventualvorsatz nachweisen, kommt eine Ahndung als Ordnungswidrigkeit (§ 378 AO) in Betracht. § 378 AO wirkt in solchen Fällen wie ein Auffangtatbestand.