Wenn ein Angriffs- oder Verteidigungsmittel erst nach Abschluss der mündlichen Verhandlung entstanden ist oder bekannt wird, ist es unproblematisch zuzulassen (vgl. BGH, Beschl. v. 22.4.2010 – I ZR 17/09, NJW-RR 2010, 1478 f.). Nur wenn ein Umstand bekannt war oder bekannt hätte sein müssen, beruht die verspätete Geltendmachung auf einer Nachlässigkeit und führt gem. § 531 Abs. 2 Nr. 3 ZPO zum Ausschluss in der Berufungsverhandlung (vgl. bereits BGH, Urt. v. 19.3.2004 – V ZR 104/03, NJW 2004, 2152, 2154). In der Regel gilt, dass das bewusste Zurückhalten eines Beweismittels zu einem zentralen Punkt des Rechtsstreits, um erst einmal abzuwarten, zu welchem Ergebnis die Erhebung der bisher angebotenen Beweise führt, in grober Weise gegen die allgemeine Prozessförderungspflicht des Zivilprozesses verstößt (vgl. BGH, Beschl. v. 13.12.2006 – IV ZR 180/04, VersR 2007, 373). Redliche Prozesstaktik (z.B. die begründete Sorge vor Auswechslung von Parteivortrag des Gegners) kann insofern allerdings entlasten (Foerste, in: Musielak/Voit, a.a.O., § 282 ZPO Rn 5 m.w.N.). Ansonsten gilt der Rechtssatz, dass es keine Verpflichtung gibt, tatsächliche Umstände, die der Partei nicht bekannt sind, erst zu ermitteln (st. Rspr. vgl. BGH, Urt. v. 15.10.2002 – X ZR 69/01, NJW 2003, 200, 203; Beschl. v. 19.6.2008 – V ZR 190/07, IBR 2008, 1322; Beschl. v. 17.12.2009 – III ZR 61/08 – Rn 13d bei juris; Beschl. v. 30.10.2013 – VII ZR 339/12, NJW-RR 2014, 85; Beschl. v. 2.6.2016 – V ZR 223/16). Eine solche Verpflichtung könnte allenfalls durch besondere Umstände begründet werden (vgl. BGH, Beschl. v. 10.6.2010 – Xa ZR 110/09, NJW-RR 2011, 211 f.). Diese Anforderungen werden von den Instanzgerichten vielfach weit überspannt, z.B. wenn eine "zumutbare Recherche" verlangt wird, die z.B. darin liegen soll, dass ein Grundstückskäufer Nachbarn hinsichtlich der Mängel einer gekauften Immobilie befragen soll (vgl. OLG Saarbrücken, Urt. v. 26.4.2012 – 8 U 80/11-22; OLG Oldenburg, Beschl. v. 1.9.2015 – 4 U 29/15 n.v. und aufgehoben durch BGH, Beschl. v. 2.6.2016 – V ZR 223/15).
Richtig ist daher: Es begründet grundsätzlich keine Nachlässigkeit einer Partei, dass sie während des erstinstanzlichen Verfahrens ihr unbekannte Tatsachen nicht ermittelt hat (vgl. BGH, Beschl. v. 30.10.2013 – VII ZR 339/12, NJW RR 2014, 85). Nachforschungen bei Nachbarn (vgl. BGH, Beschl. v. 2.6.2016 – V ZR 223/15) oder umfangreiche staatsanwaltschaftliche Ermittlungsakten im Einzelnen darauf durchzusehen, ob ihnen Anhaltspunkte für bestimmte Pflichtverletzungen zu entnehmen sein könnten, die nach dem bisherigen Sachstand nicht im Raum stehen (vgl. BGH, Urt. v. 6.11.2008 – III ZR 231/07 – VI ZR 270/04, NJW-RR 2009, 329), sind grundsätzlich nicht erforderlich.