1. Gesetzliche Regelungen
Das Franchiserecht ist, obwohl es sich um die modernste Vertriebsform für Waren und Dienstleistungen handelt in Deutschland sowie in Österreich – im Gegensatz zu Belgien, Frankreich, Italien, Schweden, Spanien und zukünftig auch Griechenland – gesetzlich nicht geregelt, so dass bei der Vertragsgestaltung eine Fülle von Urteilen und zahlreiche Einzelgesetze berücksichtigt werden müssen.
Lediglich innerhalb der Staaten der europäischen Gemeinschaft gibt es als "Guideline" für die Gestaltung eines Franchisevertrags die derzeitige EU-Gruppenfreistellungsverordnung für Vertikale Vertriebsbindungen (Vertikal-GVO – EU-VO 330/2010), welche die frühere Gruppenfreistellungsverordnung für Franchisevereinbarungen (Franchise-GVO EU-VO Nr. 4087/1988) ersetzt hat (s. Liebscher/Flohr/Petsche, Handbuch der EU-Gruppenfreistellungsverordnungen, 2. Aufl. 2012, § 7 Vertikal-GVO; § 14 Franchise-GVO).
Nachdem bereits im Jahr 2013 (Flohr ZVertriebsR 2013, 1 ff.) über eine gesetzliche Kodifizierung des Franchiserechts in Deutschland diskutiert, eine gesetzlichen Regelung jedoch nicht umgesetzt wurde, ging man allgemein davon aus, dass es bei den einschlägigen Entscheidungen zur vorvertraglichen Aufklärung, aber auch Inhaltskontrolle eines Franchisevertrags sowie der Selbstregulierung (self-regulation) der deutschen Wirtschaft verbleibt. Nunmehr hat aber die Diskussion um eine Kodifizierung des Franchiserechts in Deutschland wieder eingesetzt, da das Bundesamt der Justiz ein Forschungsvorhaben zum Thema "Gesetzliche Sonderungen über den Franchisevertrag im internationalen Vergleich" mit dem Schwerpunkt "Vorvertragliche Aufklärungspflichten des Franchisegebers" ausgeschrieben hat. So begrüßenswert ein solches Forschungsvorhaben ist, darf jedoch nicht übersehen werden, dass bereits jetzt der Abschluss von Franchiseverträgen in Deutschland durch die Rechtsprechung geprägt ist. In entsprechender Weise sind auch sondergesetzliche Regelungen zum Inhalt eines Franchisevertrags nicht erforderlich, da auch hier durch die Rechtsprechung wesentliche Inhalte eines Franchisevertrags, teilweise unter Rückgriff auf die Regelungen der EU-Gruppenfreistellungsverordnung für Vertikale Vertriebsbindungen (EU-VO 330/2010) und der insoweit ergangenen Guidelines, festgelegt werden.
Ob und inwieweit die vorvertragliche Aufklärung bzw. der Franchisevertrag insgesamt geregelt wird, bleibt abzuwarten. Das Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz hat hierzu ein Gutachten in Auftrag gegeben (Flohr ZVertriebsR 2016, 1 ff.).
2. EU-Gruppenfreistellungsverordnungen
Auch wenn sich der Regelungsinhalt der EU-Gruppenfreistellungsverordnungen (EU-VO 330/2010) nur darauf bezieht, Franchiseverträge vom Kartellverbot des Art. 101 AUEV (Vertrag über die Arbeitsweise innerhalb der Europäischen Union – vormals Art. 81 Abs. 1 EG-Vertrag) freizustellen, kommt den EU-Gruppenfreistellungsverordnungen – zumindest mittelbar – auch für die zivilrechtliche Beurteilung von Franchiseverträgen Bedeutung zu (vgl. dazu insbesondere Gerstner, in: Franchiserecht, Kap. 2, Rn 9: Franchise-GVO als "Zwangsjackeneffekt" für die Gestaltung von Franchiseverträgen; s. insoweit auch Bechtold EWS 2001, 49, 50; Metzlaff BB 2000, 1201, 1202).
So hat das OLG Rostock festgestellt (Urt. v. 29.6.1995, DRsp. Nr. 1998/3987), dass die seinerzeitige Franchise-GVO (EU-VO 4087/88) auch zivilrechtlich in Deutschland Anforderungen an einen abzuschließenden Franchisevertrag festlegt; d.h. Maßstab für die Frage der Sittenwidrigkeit eines Franchisevertrags nach § 138 Abs. 1 BGB (gute Sitten) ist. Der BGH hat in seiner Entscheidung vom 13.7.2004 (WRP 2004, 1378 – Citroën-Vertragshändler m. Anm. Flohr ZAP F. 15, S. 459) ausgeführt, dass bei einer AGB-rechtlichen Inhaltskontrolle bei Absatzmittlungsverträgen und damit auch von Franchiseverträgen die jeweilige Gruppenfreistellungsverordnung, sei es die Vertikal-GVO oder bei Vertragshändlerverträgen die seinerzeit noch geltende Kfz-GVO als Wertungsmaßstab i.S.v. § 307 Abs. 1 S. 1 BGB anzuwenden sind, d.h. Regelungen, die nach den jeweiligen Gruppenfreistellungsverordnungen unzulässig sind, sind ebenfalls nach § 307 Abs. 1 S. 1 BGB als unwirksam anzusehen, da diese den Franchisenehmer unangemessen benachteiligen. An dieser an § 307 Abs. 1 S. 2 BGB ausgerichteten Betrachtung ändert auch die seit dem 1.6.2010 geltende Fassung der Vertikal-GVO (EU-VO 330/2010) nichts (umfassend zur Bedeutung der Franchise-GVO für die zivilrechtliche Beurteilung von Franchiseverträgen: Flohr, in: Handbuch der EU-Gruppenfreistellungsverordnungen, 2. Aufl. 2012, § 14 Rn 242 ff.).
3. European Code of Ethics for Franchising
Hilfreich für eine Beurteilung von Franchiseverträgen ist der auf europäischer Ebene in Abstimmung mit der EU-Kommission erarbeitete Verhaltenskodex für Franchising (European Code of Ethics for Franchising). Auf diesem europäischen Kodex beruht auch der "Ethik-Kodex des Deutschen Franchiseverbands" in der Fassung vom 16.5.2008 (abgedr. in: Jahrbuch Franchising 2016/2017, S. 305–309).
Diese Kodici enthalten Leitsätze für eine ausgewogene Vertragsgesta...