1. Bedeutung
Läuft der Kontakt zwischen Franchisegeber und Franchisenehmer auf den Abschluss eines Franchisevertrags hinaus bzw. liegt ein ähnlicher geschäftlicher Kontakt vor, ist der Franchisegeber verpflichtet, vorvertragliche Aufklärung zu leisten. Diese vorvertragliche Aufklärung ist in Deutschland nicht gesetzlich geregelt – wird somit von der Rechtsprechung bestimmt; insbesondere von den Entscheidungen des OLG München (vgl. NJW 1994, 667; NJW-RR 1997, 812; NJW 2001, 1759; BB 2003, 443; BB 2007, 14 m. Anm. Flohr BB 2007, 6 ff.). Das zwischen Franchisegeber und Franchisenehmer gem. § 241 Abs. 2 BGB während der Vertragsverhandlungen entstandene Vertrauensverhältnis verpflichtet den Franchisegeber in besonderem Maße, dem Franchisenehmer die für die spätere Zusammenarbeit erheblichen Informationen wahrheitsgemäß offen zu legen. Hierzu zählen etwa Angaben über:
- Know-how des Franchisesystems,
- Ergebnisse und Erfahrungen bestehender Franchise-Betriebe,
- Anzahl der Franchisenehmer einschließlich Fluktuationsrate (sog. flop-rate),
- Leistungen der Systemzentrale,
- Investitionssummen (Mindestkapital, Verhältnis zum Fremdkapital),
- notwendiger Arbeitseinsatz des Franchisenehmers,
- durchschnittlicher Jahresumsatz der Franchisenehmer oder Pilotbetriebe,
- Angaben zum Franchisegeber-Betrieb (Beginn, wirtschaftliche Entwicklung etc.).
Durch diese Informationen soll der Franchisenehmer in den Stand versetzt werden, die mit dem Abschluss des Franchisevertrags verbundenen unternehmerischen Risiken einschätzen zu können.
Literaturhinweise zur vorvertraglichen Aufklärung:
Flohr ZVertriebsR 2013, 71; Flohr, in: Handbuch, § 30 Rn 18–127 mit umfassender Rspr.-Übersicht und einem ABC der vorvertraglichen Aufklärung; Kroll, Informationspflichten im Franchising, 2001; Schäfer, Die Pflicht des Franchisegebers – vorvertragliche Aufklärung, 2007; Schulz, Schadensersatzansprüche des Franchisenehmers wegen Verletzung vorvertraglicher Aufklärungspflichten, 2004; Peters, Vorvertragliche Informationspflichten des Franchisegebers, 2002; Liesegang, Und immer wieder vorvertragliche Aufklärung, Jahrbuch Franchising 2011, 184.
Allerdings kann keine generelle Checkliste dafür gegeben werden, welche Informationen zwingend im Rahmen der Vertragsverhandlungen einem Franchisenehmer-Interessenten, auch ungefragt, zu vermitteln sind. Dies hängt vom jeweiligen Franchise-System und dessen Eigenarten ab, aber auch vom Wissensstand des Franchisenehmers. Allerdings ist der Franchisegeber verpflichtet, auch ungefragt einen Franchisenehmer aufzuklären bzw. ungefragt einem Franchisenehmer Informationen zu vermitteln, die für dessen Entscheidung von grundsätzlicher Bedeutung sind, wie etwa die sog. flop-rate in einem Franchise-System (dazu vor allem OLG München BB 2001, 1759 [Aufina]); d.h. die Anzahl der innerhalb eines Jahres aus dem Franchise-System ausgeschiedenen Franchisenehmer und i.d.R. auch die Mitteilung der Gründe, warum diese Franchisenehmer aus dem Franchise-System ausgeschieden sind.
2. Standortanalyse und Rentabilitätsberechnung
Bestandteil der vorvertraglichen Aufklärung ist jedoch nicht eine vom Franchisegeber durchzuführende Standortanalyse. Hier hat sich die Rechtsprechung geändert. Seit der Entscheidung des OLG Brandenburg (Urt. v. 28.9.2005 – 4 U 37/05, NJW-RR 2006, 51; dazu Flohr BB 2006, 389, 392) steht in Übereinstimmung mit der Entscheidung des OLG Düsseldorf (Urt. v. 30.6.2004 – VI U Kart. 40/02 n.v.) fest, dass es sich bei der Standortanalyse um eine ureigene Aufgabe des Franchisenehmers handelt. Dieser hat den Standort für sein Franchise-Outlet als Ausdruck seiner Unternehmertätigkeit selbst auszuwählen. Allerdings ist der Franchisegeber verpflichtet, dem Franchisenehmer Kriterien an die Hand zu geben, anhand derer der geeignete Standort für das Franchise-Outlet gefunden werden kann. Sind diese Informationen nicht zutreffend und wird dann ein nicht geeigneter Standort ausgewählt, so liegt eine Verletzung der vorvertraglichen Aufklärungspflichten des Franchisegebers vor, die diesen zur Leistung von Schadensersatz nach den Grundsätzen des Verschuldens bei Vertragsabschluss (culpa in contrahendo) gem. §§ 311, 280 BGB verpflichtet.
Da die Rechtsprechung mittlerweile dazu tendiert, auch im Rahmen der vorvertraglichen Aufklärung verstärkt wieder die Stellung des Franchisenehmers als wirtschaftlich selbstständigen Unternehmer zu sehen, der wie jeder andere Geschäftsmann auch die mit dem Abschluss des Franchisevertrags verbundenen wirtschaftlichen Risiken zu tragen hat, besteht im Rahmen der vorvertraglichen Aufklärung keine Verpflichtung mehr für den Franchisegeber
- eine Standortanalyse und/oder
- eine realistische Rentabilitätsvorausschau und/oder
- Umsatzprognose
vorzulegen. Dies sind nunmehr eigene Aufgaben des Franchisenehmers. Der Franchisegeber ist ggf. lediglich gehalten, dem Franchisenehmer die Tools an die Hand zu geben, anhand derer er für den beabsichtigten Standort eine Standortanalyse durchführen bzw. eine Rentabilitätsvorausschau für sein Franchise-Outlet zu Finanzierungszwecken erstellen kann.
Hi...