– Teil 1: Rechtliche Grundlagen und vorvertragliche Aufklärung

I. Einleitung

Franchising ist eine Vertriebsform, die auf Partnerschaft basiert. Dabei wird dem Franchisenehmer gegen Zahlung von Gebühren an den Franchisegeber ein bestehendes Franchisekonzept zur Nutzung überlassen. Dieses setzt der Franchisenehmer vor Ort an seinem "Point of Sale (POS)" um. Der Franchisenehmer ist dabei ein rechtlich selbstständiger und eigenverantwortlich operierender Unternehmer (DFV, Franchise-Ratgeber 2016/2017, S. 12). Das Franchiserecht ist damit ein Teilgebiet des Vertriebsrechts, das sich als das Vertrags- und Wirtschaftsrecht des Vertriebs oder – synonym – des Absatzes von Waren und Dienstleistungen versteht (grundsätzlich dazu Martinek ZVertriebsR 2012, 2 ff.). Insofern umfasst das Vertriebsrecht das gesamte Recht der Absatzmittlungsverhältnisse, d.h. den indirekten Vertrieb über vertragliche Vertriebssysteme unter Einschaltung von Absatzmittlern wie Handelsvertretern, Vertragshändlern, Kommissionsagenten, Franchisenehmern oder autorisierten Fachhändlern, aber auch das "Direct Marketing" (z.B.: Vorwerk/Avon-Kosmetik/Tupperware). Als Beispiele für Vertriebssysteme sind die Vertragshändler des Automobil-Handels oder im Einzelhandel das BabyOne-, Yves Rocher- oder HOL'AB!-Franchisesystem, im Bereich der Dienstleistung die Makler-Franchisesysteme wie RE/MAX oder Engel & Völkers und im Bereich der Systemgastronomie Burger King, McDonalds oder Vapiano zu nennen.

Ferner sind dem Vertriebsrecht auch die sog. Shop-in-Shop-Systeme (wie etwa Oil & Vinegar) zuzuordnen. Die Definition des Vertriebsrechts umfasst den sog. direkten Vertrieb im Wege des Fernabsatzes, insbesondere des e-Commerce, wobei dem Online-Handel bei Franchise-Systemen zunehmende Bedeutung zukommt (s. auch insoweit Martinek ZVertriebsR 2012, 3; Flohr, in: Handbuch, § 1 Rn 1 ff. m.w.N.; insgesamt zur Typologie der Vertriebsverträge: Flohr, in: Gedächtnisschrift für Wörlen, 2013, S. 209 ff.). Entsprechendes gilt für Franchiseverträge. Diese sind – in ihren jeweils unterschiedlichen Ausprägungen – dem System der Vertriebsverträge oder auch dem System der Absatzmittlungsverträge zuzuordnen. Dabei wird innerhalb der Franchiseverträge zwischen Einzelhandel- und Dienstleistungs-Franchiseverträgen genauso differenziert, wie es spezielle Franchiseverträge für die Systemgastronomie oder aber für die industrielle Fertigung oder aber auch Shop-in-Shop-Franchiseverträge gibt (zu den einzelnen Franchisevertragstypen vgl. die umfassende Darstellung in: Martinek/Semler/Flohr, Formularsammlung Vertriebsrecht, 2013, S. 259–448 m.w.N. und Erläuterungen zu den jeweiligen Franchise-Vertragsmustern).

 

Literaturhinweise:

Emde, Vertriebsrecht, Handelsvertreter-, Vertragshändler- und Franchiserecht, 3. Aufl. 2015; Flohr/Wuschkuhn, Vertriebsrecht, 2. Aufl. 2017; Giesler/Nauschütt, Franchiserecht, 3. Aufl. 2007; Giesler, Praxishandbuch Vertriebsrecht, 2. Aufl. 2011; Martinek/Semler/Flohr, Handbuch des Vertriebsrechts, 4. Aufl. 2016; Martinek/Semler/Flohr, Formularsammlung Vertriebsrecht, 2013).

II. Rechtliche Grundlagen

1. Gesetzliche Regelungen

Das Franchiserecht ist, obwohl es sich um die modernste Vertriebsform für Waren und Dienstleistungen handelt in Deutschland sowie in Österreich – im Gegensatz zu Belgien, Frankreich, Italien, Schweden, Spanien und zukünftig auch Griechenland – gesetzlich nicht geregelt, so dass bei der Vertragsgestaltung eine Fülle von Urteilen und zahlreiche Einzelgesetze berücksichtigt werden müssen.

Lediglich innerhalb der Staaten der europäischen Gemeinschaft gibt es als "Guideline" für die Gestaltung eines Franchisevertrags die derzeitige EU-Gruppenfreistellungsverordnung für Vertikale Vertriebsbindungen (Vertikal-GVO – EU-VO 330/2010), welche die frühere Gruppenfreistellungsverordnung für Franchisevereinbarungen (Franchise-GVO EU-VO Nr. 4087/1988) ersetzt hat (s. Liebscher/Flohr/Petsche, Handbuch der EU-Gruppenfreistellungsverordnungen, 2. Aufl. 2012, § 7 Vertikal-GVO; § 14 Franchise-GVO).

Nachdem bereits im Jahr 2013 (Flohr ZVertriebsR 2013, 1 ff.) über eine gesetzliche Kodifizierung des Franchiserechts in Deutschland diskutiert, eine gesetzlichen Regelung jedoch nicht umgesetzt wurde, ging man allgemein davon aus, dass es bei den einschlägigen Entscheidungen zur vorvertraglichen Aufklärung, aber auch Inhaltskontrolle eines Franchisevertrags sowie der Selbstregulierung (self-regulation) der deutschen Wirtschaft verbleibt. Nunmehr hat aber die Diskussion um eine Kodifizierung des Franchiserechts in Deutschland wieder eingesetzt, da das Bundesamt der Justiz ein Forschungsvorhaben zum Thema "Gesetzliche Sonderungen über den Franchisevertrag im internationalen Vergleich" mit dem Schwerpunkt "Vorvertragliche Aufklärungspflichten des Franchisegebers" ausgeschrieben hat. So begrüßenswert ein solches Forschungsvorhaben ist, darf jedoch nicht übersehen werden, dass bereits jetzt der Abschluss von Franchiseverträgen in Deutschland durch die Rechtsprechung geprägt ist. In entsprechender Weise sind auch sondergesetzliche Regelungen zum Inh...

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