Das zentrale Element, mit dem im Bereich der Leistungen zur Eingliederung in Arbeit (LzEiA) die wechselseitigen Pflichten von Leistungsberechtigten und Jobcenter konkretisiert werden sollen, ist die Eingliederungsvereinbarung (EGV) nach § 15 SGB II. Nach der gesetzgeberischen Konzeption handelt es sich bei der EGV um einen öffentlich-rechtlichen (ö-r) Vertrag, mit dem das Sozialrechtsverhältnis konkretisiert wird und die verbindliche Aussagen zum Fördern und Fordern einschließlich der vereinbarten LzEiA enthält (BT-Drucks 15/1516, S. 54). Sie sollen so der maßgeschneiderten Ausrichtung der LzEiA auf die Leistungsberechtigten dienen (BT-Drucks 15/1516, S. 44). Gemäß § 31 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 SGB II stellt es eine durch Leistungsabsenkung zu sanktionierende Pflichtverletzung dar, wenn Leistungsberechtigte die Pflichten nicht erfüllen, die sie in der EGV übernommen haben. Voraussetzung dafür ist, dass die EGV wirksam ist.
Mit Urteil vom 23.6.2016 (B 14 AS 30/15 R) stellte das BSG nun strenge Anforderungen an die Wirksamkeit der EGV auf. Im entschiedenen Fall hatte der Kläger in der EGV die Verpflichtung übernommen, mindestens zehn Bewerbungen monatlich in genau konkretisierter Weise nachzuweisen. LzEiA des Jobcenters, insbesondere zur Übernahme von Bewerbungskosten, wurden hingegen nicht konkretisiert, sondern nur pauschal auf "Mobilitätshilfen, weitere Leistungen, E[in]S[tiegs]G[eld]" bei Vorliegen der gesetzlichen Voraussetzungen und gesonderter Antragstellung verwiesen.
Diese konkrete EGV hielt das BSG wegen Verstoßes gegen das in § 58 Abs. 2 Nr. 4 SGB X geregelte Koppelungsverbot für nichtig. Hiernach ist ein ö-r Austauschvertrag nichtig, wenn sich die Behörde eine unzulässige Gegenleistung versprechen lässt. Insbesondere muss die Gegenleistung nach § 55 Abs. 1 S. 2 SGB X nach den gesamten Umständen angemessen sein. Weil das Jobcenter sich in der EGV in keiner Weise zur Übernahme von Bewerbungskosten verpflichtete, hielt das BSG die sanktionsbewehrte Verpflichtung des Klägers zum Nachweis von Bewerbungen für unangemessen. Eine Eigenbemühungsverpflichtung sei nur angemessen, wenn zugleich die Unterstützung dieser Bemühungen durch das Jobcenter konkret (hier genügen allerdings Pauschalen oder die Angabe von Höchstbeträgen) und verbindlich vereinbart wird.
Interessanter noch sind die Ausführungen, die das BSG in einem Obiter Dictum macht: Es liege eine Nichtigkeit wegen Formenmissbrauchs nahe. Es sei aus der EGV selbst nicht ersichtlich, dass bei ihrer Erstellung die Eignung und individuelle Lebenssituation des Klägers berücksichtigt worden sei, welche konkreten Angebote an LzEiA das Jobcenter mache und inwieweit Erfahrungen aus bisherigen Eingliederungsvereinbarungen eingeflossen seien. Damit liege nahe, dass das Jobcenter in Wahrheit keine EGV abgeschlossen habe, sondern faktisch durch VA gehandelt habe. Das BSG stützt sich allerdings nicht auf diesen Nichtigkeitsgrund, weil es ihm möglich erscheint, dass eine so knappe EGV wegen individueller Vorkenntnisse des konkreten Klägers nicht als Formenmissbrauch anzusehen sei.
Praxishinweis:
Die vom BSG entschiedene Konstellation ist in der Praxis leider sehr häufig anzutreffen. Der strenge Maßstab, den das BSG nun anlegt, dürfte daher in zahlreichen Fällen Angriffspunkte gegen Sanktionsbescheide eröffnen. Das gilt insbesondere für die obiter gemachten Ausführungen zum Formenmissbrauch bei Eingliederungsvereinbarungen.